Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Inken Rahardt
Eine Schauspielerin ersten Ranges (Cornelia Schönwald), eine Rolf-Mares-Preisträgerin als Regisseurin (Nina Pichler), zwei Sopranistinnen – zwar ohne Schauspielausbildung, dennoch im Darstellungsvermögen ihren hochkultivierten Stimmen ebenbürtig – (Luise Hansen, Tammi Huber), ein musikalischer Leiter und Pianist, der hier als Korrepetitor fungiert und sogar als Schauspieler einzusetzen ist (Markus Bruker), eine Theaterdirektorin, die sich nicht zum ersten Mal als einfallsreiche Szenenbildnerin zeigt (Inken Rahardt): Dieser Strauß mit großer Leidenschaft und beträchtlichem Engagement arbeitender Theatermenschen, ließ die Premiere der „Meisterklasse“ von Terrence McNally im Opernloft zu einem Abend höchster Qualität werden.
Über die knapp zweistündige Handlung (die im Original durchaus 30 Minuten länger währen kann, Pichler hat in ihrer Hamburger Fassung einen Gesangschüler gestrichen), ist nicht viel zu erzählen: Die berühmteste Sopranistin des 20. Jahrhunderts, Maria Callas, unterrichtet nach ihrem Rückzug von der Bühne 1965 Nachwuchssänger im Rahmen einer Meisterklasse an der New Yorker Juilliard School.
Wer so alt ist wie der Autor dieser Würdigung und daher das Glück hatte, die Callas als Bellinis Norma an der Mailänder Scala und als Cherubinis Medea in der alten, fassadengrauen New Yorker Metropolitan Opera zu hören, vermag einzuschätzen, wie brillant Cornelia Schönwald diese große Sängerin in ihrem unerbittlichen Qualitätsanspruch und ihrer stets geleugneten, dennoch überbordenden Eitelkeit charakterisiert, ja, sich sogar das Wagnis zutraut, eine der einzustudierenden Arien ihrer jungen Schülerin Sophie de Palma als eine Art Sprechgesang zu dokumentieren. Eine höchst ungewöhnliche Leistung und damit durchaus dem Anspruch der Callas an sich selber ebenbürtig. Nie werde ich vergessen, dass sie bei der zweiten Hauptprobe der „Medea“ in New York die Partie bereits aussang, was – in der Regel – große Sänger aus Gründen der Schonung nicht tun. Und wie sie innerhalb der Rolle weinte, als sie Jason ansang: „Ich habe dir alles gegeben.“
Inszenatorisch gesehen sind die Finalteile des zweiaktigen Schauspieles am schönsten gelungen. Die Callas, von Nina Pichler geschickt hinter einem gewaltigen Gaze-Vorhang arrangiert, den Inken Rahardt technisch meisterhaft zur Projektion von Opernhaus-Interieurs nutzt, innerhalb deren die große Sopranistin ihre eigene künstlerische Biografie Revue passieren lässt: Wie sie zu Beginn der 1950er-Jahre von Florenz aus ihren Siegeszug durch Italien mit elf großen Partien antrat (am Ende ihrer Karriere waren es 43!), der sie später durch alle großen Musikhäuser der Welt führen sollte; oder wie in jenen Jahren der Direktor des florentinischen Teatro Communale, Francesco Siciliani, der jungen Callas die Möglichkeit gab, alle Opernpartien, an die sie sich heranwagen wollte, auszuprobieren, etwa Rossinis „Armida“, Bellinis „Norma“, Donizettis „Lucia di Lammermoor“, Cherubinis „Medea“ und Verdis „Traviata“; oder wie sie als erste italienische Sopranistin die seit einem Jahrhundert nicht mehr gehörte Technik des soprano drammatico d’agilità zu pflegen begann, eine Technik, die sie bald in den Stand setzen sollte, die hochdramatische Norma ebenso qualifiziert zu singen wie etwa die lyrische Sonnambula, mit deren Einstudierung übrigens McNally und Pichler ihre „Meisterklasse“ beginnen lassen.
Weitere Vorstellungen: 11.10., 1.11., 22.11., 19.12. und 16.1.15, jeweils 20 Uhr, Opernloft