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Musikalische Früherziehung als wohliger Genuss

„Der Fliegende Holländer“, Theater für Kinder
Der fliegende Holländer

Nähe in der Not: Holländer (Volker Maria Rabe) und Senta (Lisa-Maria Pichler)

Das hat wohl selbst bei der Oper, bei der allerlei Befremdliches wie das Einfliegen auswärtiger Sänger zur Übernahme der Partie eines stimmerkrankten Kollegen nahezu Alltag ist, Seltenheitswert: Ein Sänger erscheint in Kostüm und Maske auf der Szene, begnügt sich mit „mouthing“ (also Lippenbewegungen ohne Ton), und ein anderer singt die Partie vor der Rampe. So geschehen im Theater für Kinder bei der Premiere des „Fliegenden Holländers“ in einer Kinderfassung der für derartige Unternehmungen hochqualifizierten Barbara Hass. Auf der Bühne Ralf Hutter (in der Rolle aufführunsgweise alternierend mit Volker Maria Rabe) als Kapitän des berühmten Geisterschiffes, gesungen von Marius Adam im privaten Anzug vor der ersten Zuhörerreihe.

Standing Ovations und Jubelrufe, nicht nur für die Zwei, branden am Ende dieser 90-minütigen Wagner-Produktion dem Ensemble ebenso entgegen wie dem fantasievoll-einfallsreichen Regisseur Andreas Franz. Und sie gelten der dem traditionsreichen Haus schon lange eng verwachsenen Bühnenbildnerin Kathrin Kegler (immer wieder erstaunlich, was diese Frau auf jenem „Nudelbrett“ von Bühne alles zu zaubern imstande ist). Und dem musikalischen Leiter Tjaard Kirsch, der – unterstützt von zwei Mitmusikanten an Cello und Posaune, Erika Sehlbach und Eckhard Meyer – Wagners romantische Klänge in einer Mixtur von Ariosem und Textbeiträgen, zugleich disziplinierten, aber auch humvorvollen Weise interpretiert.

Und dieses Ensemble – naheliegenderweise mit Ausnahme von Michael Doumas pausenlos Pfeife rauchendem Daland – junger Sänger evozierte bei der Premiere Applausstürme, obwohl Michael Julian Deusters komisch angelegter, stimmlich dauertremolierender Erik und Simone Umland für die Partie der – von Hass sehr geschickt dazuerfundenen Senta-Freundin Berit – mit ihrem scharfen Sopran ein wenig gewöhnungsbedürftig sind. Aber sie alle, wie auch Jeong-Hwan Parks sehr schönfarbiger Steuermann, der hier sogar den Namen Kim tragen darf, bewältigen die wesentliche Aufgabe des Stücks bravourös: Senta und Berit ersetzen sowohl den Chor der Spinnerinnen als auch Sentas Amme Mary, bevor Lisa-Maria Pichler ihren wundervoll tiefen, dramatischen Sopran in Mezzo-Nähe der Ballade der Senta widmen darf, der zu lauschen nachgerade eine Wonne ist. Der Chor der Seeleute im 3. Akt wird ebenfalls von den Solisten gestaltet und so geht es munter, aber wirklich gekonnt durch die gesamte Partitur bis hin zur geschickt ausgeleuchteten Apotheose.

Alles in allem: Die Aufführung bringt einen wohligen Genuss und erfüllt mit Gewissheit seinen Zweck: Die erwachsenen Zuhörer von morgen inhaltlich zu konfrontieren mit dem Ziel, das Pädagogen trocken als „musikalische Früherziehung“ bezeichnen. Hier geschieht es zugleich auf eindringliche wie unterhaltsame Weise. Vorzüglich! – Übrigens: Ausführliches Unterrichtsmaterial gibt es kostenlos als Daten-CD.

Text: Hans-Peter Kurr
Foto: Joachim Flügel

 

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