Text: Christian Hanke | Foto: Oliver Fantitsch
Zwischen Angela und Sigmar läuft´s nicht mehr so rund. Die große Koalition steht vor dem Aus. Da greift Sigmar Gabriel zum letzten Mittel: Familienaufstellung. Ein Profi auf diesem Gebiet soll die deutsche Regierung wieder handlungsfähig machen. Auch Ulla (von der Leyen) und Horst (Seehofer) hat Sigmar zu der Sitzung gebeten. Vier deutsche Regierungsmitglieder in der Gruppentherapie, dazu ein temperamentvoller Psycho-Coach: Da haben die Autorinnen Julie Zeh und Charlotte Roos in ihrem Stück „Mutti“ prächtige Rollen geschaffen, Leckerbissen für jeden Schauspieler.
Die fünf Darstellerinnen und Darsteller in der Inszenierung von Ayla Yeginer nahmen das Angebot dankbar an und wissen die Rollen mit viel Spielgenuss auszufüllen. Insbesondere die Damen zeichnen sich aus. Die äußerst wandlungsfähige Kerstin Hilbig, Rolf-Mares-Preisträgerin des Jahres 2014, fügt ihrer beeindruckenden Laufbahn ein weiteres Highlight hinzu: mit verkniffenem Mund, hängenden Schultern und wippendem Schritt zeigt sie im lila Blazer eine nüchtern-schlagfertige Angela Merkel, die im sachlichen Buchhalter-Ton Statements abgibt, Minister maßregelt und die Massen zu begeistern versucht, was den Coach in helle Verzweiflung versetzt. Wahre Begeisterung kommt bei ihr nur für das Fußball-Weltmeisterschaftsendspiel in Brasilien auf, das parallel zu der Gruppensitzung läuft.
Stets sitzt ihr Ursula von der Leyen im Nacken, die Juliette Groß bestens gesetzte Sätze sagen und eine in jeder Hinsicht gute Figur als potentielle Nachfolgerin machen lässt. Pascal Pawlowski mimt einen stets polternd-erregten Sigmar Gabriel. Tobias Killian gibt den gemütlichen bayerischen Landesvater Horst Seehofer. Philipp Weggler gefällt als stets fordernder Psychotherapeut. „Mutti“ ist kein Komödienhit, weiß aber stets albernen Klamauk zu umschiffen. Allein die exakte Satire auf die vier Politiker ist sehenswert.