Text: Christian Hanke / Foto: Oliver Fantitsch
„Nathan der Weise“ steht wieder einmal auf dem Spielplan des Ernst Deutsch Theaters. Der Klassiker über Toleranz zwischen den Angehörigen der drei monotheistischen Religionen, Christentum, Islam und Judentum von Gotthold Ephraim Lessing, heute aktueller den je, wird gerade am Friedrich-Schütter-Platz immer wieder gern gespielt, zählte Namensgeber Ernst Deutsch doch zu den ganz großen Nathan-Darstellern. In Lessings starkem Stück wirbt der Jude Nathan während der Kreuzzüge für Toleranz, trifft sich mit Sultan Saladin. Nathans angenommene Tochter Recha verliebt sich in einen christlichen Tempelherrn.
In der aktuellen Inszenierung musste Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger die Titelrolle übernehmen, die Markus Boysen krankheitsbedingt nicht spielen konnte. Der Schauspieler mit langer Erfahrung an Thalia-Theater und Schauspielhaus glänzte mit sprachlicher Exaktheit, blieb in seinem Spiel aber blass, bewegte sich in Schlips und Anzug mit Aktentasche in der Hand wie ein unauffälliger Vertreter über den Boden aus brüchigen und zerbrochenen Holzplanken. Seiner Inszenierung fehlt die Wucht und Spannung des weltumfassenden Grundsatzthemas. Die oft nicht sonderlich überzeugenden Darsteller spielen Lessings Text eher spannungsarm herunter. Nur Jessica Kosmalla als flinke und raffinierte Daja und Jonas Minthe in der Rolle des von inneren Konflikten bewegten Tempelherrn amüsieren beziehungsweise reißen mit. Die tödlichen Bedrohungen, die sich damals wie heute aus der ideologischen Vereinnahmung von Religionen ergeben, können in dieser Nathan-Inszenierung selten nachvollzogen werden. Zu lieb haben sich Nathan und Sultan Saladin. Lediglich vom Christentum geht hier glaubwürdig Gefahr aus, bedingt durch den skurrilen Auftritt von Helmut Schories, als Jerusalemer Patriarch hart am Rande der Karikatur, der Nathan gleich auf den Scheiterhaufen schicken will, im Zusammenspiel mit dem starken Jonas Minthe.
Achim Römer hat wieder einmal ein eindringliches Bühnenbild geschaffen. Hinter dem brüchigen Holzboden erhebt sich eine mit vielen Schriftzeichen verschiedener Sprachen bekritzelte Wand, durchzogen von einem blutroten Streifen. „Bibel“, „Engel“ und „Liebe“ ist zu lesen. Darüber das christliche Kreuz, der jüdische Davidstern und der islamische Halbmond.
Aufführungen bis 30.10. im Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz