Kritik / Schauspiel

Ohr am Draht

„Lauschangriff“, Lichthof Theater

Es beginnt scheinbar harmlos mit dem Gespräch eines Liebespaars (Karen Köhler und Christopher Weiß) unter freiem Himmel. Doch das laufende Tonband auf dem Tisch und der nervöse Mann mit dem Kopfhörer (Stephan Möller-Titel) machen deutlich: Die Situation ist brisant. Das Pärchen wird abgehört. Harry Caul, ein Spitzel mit falschem Bart, fühlt sich seinerseits beobachtet. Menschen betreten ohne sein Wissen seine Wohnung und hinterlassen Geschenke. Die Bühnenwände bestehen aus durchsichtiger Plane, hinter der sich seine Bewegungen widerspiegeln. Weil Harry weiß, wie einfach es ist, Menschen auszuhorchen, lebt er selbst umso zurückgezogener. Bis er eine Frau und einen aufsässigen Kollegen (Oliver Dressel) kennenlernt.

Mit „Lauschangriff“ schafft Regisseur Gero Vierhuff ein Panoptikum des gegenseitigen Misstrauens, in dessen Spannungsfeld der Held zunehmend in Bedrängnis gerät. Möller-Titel spielt den menschenscheuen Abhörspezialisten so beklemmend penibel, dass man tatsächlich glaubt, er höre das Gras wachsen, während Dressel in der Rolle des Konkurrenten Bernie Moran einen Großkotz karikiert, der die Publikumslacher sicher auf seiner Seite hat. Die wirken befreiend, denn die Zuschauer wurden zuvor selbst Zielscheibe einer Abhöraktion und dazu aufgefordert, intime Details preiszugeben. Die unsichtbaren Ohren sind allgegenwärtig.

Das kurzweilige Kammerstück basiert auf Motiven von Francis Ford Coppolas fast in Vergessenheit geratenen Kino-Streifen „The Conversation“ (1975), der erst jetzt in deutscher Synchronfassung vorliegt. Eine Ausgrabung, die im Zeitalter forcierter Online-Spionage nichts an Aktualität verloren hat.

Text: Sören Ingwersen

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