Text: Christian Hanke | Foto: Kock
Philip hält sich am liebsten in der Garderobe seiner verstorbenen Mutter auf, in der immer noch ihre Pelzmäntel hängen. Wie eine Art Heiligtum wird dieser Ort in Clifford Deans Inszenierung des amerikanischen Bühnenhits „Orphans“ von Lyle Kessler beleuchtet. Dunkel und düster ist es meistens in dem verfallenen Haus in Philadelphia, in dem Philip mit seinem älteren Bruder Treat wohnt. Die Eltern haben sie verlassen. Treat ernährt sich und seinen Bruder mit Kleinkriminalität.
Eines Tages bringt Treat den angetrunkenen Harold mit nach Hause, einen älteren Herren, mit dem er viel vorhat. Ausrauben will er ihn und erhofft sich außerdem ein dickes Lösegeld. Doch der vermeintlich seriöse Geschäftsmann entpuppt sich als Chicagoer Gangster auf der Flucht, der sich schnell aus seinen Fesseln befreit und den Spieß umdreht. Selbst auch ein Waise, nimmt er sich der beiden jungen Leute an, engagiert Treat als Leibwächter und wird für Philip zur Vaterfigur. Damit bereitet er die Abnabelung des jüngeren vom älteren Bruder vor. Philip verlässt das Haus nämlich nie, weil Treat ihm eingeredet hat, dass es draußen furchtbar gefährlich sei. Harold öffnet ihm buchstäblich die Tür, und Philip tritt zum ersten Mal hinaus in die Welt.
Christopher Buckley (Philip), Chris Casey (Treat) und Alan Booty (Harold) entwickeln ein packendes Kammerspiel um Macht, Liebe und große Verlassenheit in einem herausragenden Stück über drei Verlorene. Insbesondere Christopher Buckley glänzt als vermeintlich schwächlicher, anhänglicher Philip mit kindlichen Zügen.
Aufführungen bis 5.11., The English Theatre, Lerchenfeld 14