Kinder & Jugend / Kritik

Oskar und die Dame in Rosa

Ambrella Figurentheater & Theatrium Steinau im Fundus Theater
Oskar und die Dame in Rosa

Jesus hat seelisch nicht gelitten: Oma Rosa führt Oskar ins Reich der Religion.

Text: Sören Ingwersen | Foto: Omani Frei

Wie ein Geist schwebt der kleine Junge hinter der Projektionswand im schwarzen Raum. Vor ihm rieseln Schneeflocken aus Licht zu Boden, während Oma Rosa von ihrem Schützling Abschied nimmt. Das Ende des Puppentheaterstücks „Oskar und die Dame in Rosa“ nach einer Erzählung von Eric-Emmanuel Schmitt ist dem Zuschauer von Beginn an klar: Der zehnjährige Oskar wird sterben, denn er leidet an Leukämie. Seine Eltern wenden sich im Schmerz von ihm ab. Nur eine alte Dame, die im Krankenhaus ehrenamtlich Kinder betreut, kann Oskars Vertrauen gewinnen. Er nennt sie Oma Rosa. Zwischen beiden entspinnt sich ein Gespräch über Dinge, die Oskars Herz bewegen: die ebenfalls totkranke Peggy-Blue, in die er sich verliebt hat, den feisten Jungen „Popcorn“, der ihn ständig schikaniert, und Gott, an den Oskar zuerst nicht glaubt, dem er aber – auf Oma Rosas Anraten hin – mehrere Briefe schreibt.

Mit großen, ernsten Augen blickt Oskar unter seine Pudelmütze hervor in die Welt, in der er noch so viel entdecken möchte, während  Oma Rosa eine ebenso gütige wie besorgte Miene an den Tag legt. Im Rahmen des Kindertheatertreffens 2020 im Fundus Theater  erwecken Heike Klockmeier vom Ambrella Figurentheater und Detlef Heinichen vom Theatrium Steinau ihre Handpuppen einfühlsam zum Leben – die beiden Protagonisten ebenso, wie den behandelnden Arzt, die Eltern des Jungen und weitere Kinderpatienten. Nicht nur durch Heinichens Männerstimme erhält Oma Rosa eine burschikose Note. Auch wenn sie als vermeintlich ehemalige Catcherin und „Würgerin von Languedoc“ ihren Puppenspieler aufs Kreuz legt und sich hiernach genüsslich eine Zigarre ansteckt, darf geschmunzelt werden.

Oskar indes redet befremdlich erwachsen daher, was wohl der Textvorlage geschuldet ist. Auch Oma Rosas Bekehrungsversuche, die in einer Szene vor dem Jesuskreuz mit Orgeluntermalung ihren Höhepunkt finden, atmen den Geist eines vergangenen Jahrhunderts, der in der zweifelhaften Erkenntnis mündet, das Oskar sich zwar nicht den körperlichen, sehr wohl aber den seelischen Schmerz selbst ausgesucht habe. Trotzdem: Was hier auf einer Spielfläche mit vier schwarzen Quadern – die die einzigen Bühnenelemente bilden – verhandelt wird, ist eine zutiefst menschliche Begegnung, die die beiden Puppenspieler mit wunderbarer Leichtigkeit, feinem Witz und einer Mut machenden Botschaft einfangen: Auch ein sehr kurzes Leben kann erfüllt sein.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*