Text: Kathrin Friedrich | Foto: Julia Kneuse
„Paradise Lost“ als Adaptionsvorlage für die Bühne zu wählen, ist eine durchaus gewagte Idee. Zumal bei einem Stück von nur 70 Minuten. Aber genau das ist es, was dem „Kommando Himmelfahrt“ auf Kampnagel gelingt. „Lieber Herr der Hölle als Knecht im Himmel sein“, sagt Satan in John Miltons 1667 erschienenem epischen Gedicht. Auf Kampnagel war Satan, verkörpert von Sarah Sandeh, in jedem Fall der Herr. Oder besser die Herrin. Facettenreich und tiefgründig wie Miltons Text lässt die 30-Jährige ihren Teufel erscheinen. Satan rebelliert, verzweifelt, trauert, will in den Himmel zurück, will die Hölle erobern. Nach einer kurzen Phase, die es braucht, um in Fahrt zu kommen, ist Sandeh voll da. Sie nimmt die Zuschauer mit, hinein in die Geschichte des ersten Revolutionärs. Dass dabei etwas unklar bleibt, dass der dem Teufel zur Seite stehende Männerchor (nach Angaben Satans mit einem Durchschnittsalter von 66 Jahren) aus Alt-68ern und damit auch aus Rebellen und Systemkritikern besteht, stört wenig. Ebenso, dass die Musik manchmal ein bisschen zu laut für die Sänger ist. Der rasante Abend endet damit, dass Satan erneut alles in Frage stellt, auch die eigene Existenz. Denn zum Schluss gibt Sandeh einen Schnelldurchlauf durch die Weltgeschichte – beginnend mit dem Urknall. Ihr Chor verwandelt sich dabei in die Geister der Vergangenheit.
„Kommando Himmelfahrt“ gelingt mit „Paradise Lost“ auf Kampnagel ein sehenswerter Abend zum Thema Revolution, Systemkritik und der Frage, ob es besser ist, mit harter Arbeit der eigene Herr oder mit Bequemlichkeit ein Diener zu sein.