Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Bühne Bumm
Heute dürfen Prinzen sogar Schauspielerinnen heiraten. Zu Hans Christian Andersens Zeit war das undenkbar, da mussten sich potenzielle Heiratskandidatinnen einem Blaublüter-Test unterziehen – wenn es nach der Fantasie des Dichters gegangen wäre. „Die Prinzessin auf der Erbse“ beschreibt eine solche Eignungsprüfung anschaulich: Eine echte Prinzessin erkenne man daran, dass sie eine rohe Erbse sogar dann noch spürt, wenn sie unter vielen Matratzen liegt, denn nur echte Prinzessinnen sind derart empfindsam.
Während sich das Andersen-Märchen mit der Feststellung begnügt, der Prinz komme nach ausgedehnten Reisen unverrichteter Dinge wieder nach Hause, schmückt das Theater Bumm seine Bühnenfassung für Kinder ab vier Jahren genüsslich aus: Bei Prinzessin Nummer eins gibt’s Pommes und Ketchup zu essen – ein absolutes No-Go bei Hofe. Die zweite spricht dämlich, die dritte riecht zum Davonlaufen. Auch an Kandidatin vier, fünf und sechs hat die Königinmutter etwas auszusetzen – der verunsicherte Sohn traut sich schon gar nicht mehr, Zuhause eine potenzielle Schwiegertochter anzubieten. Doch eines Nachts klopft es unerwartet am heimischen Tor – und eine völlig durchnässte Prinzessin begehrt Einlass. Sie hat zwar auch einige der wenig prinzessinnenhaften Angewohnheiten vorausgegangener Anwärterinnen – aber der Prinz mag sie auf Anhieb. Und als sie dann auch noch die Erbsen-Probe besteht, nimmt das junge Glück seinen Lauf … Passenderweise gibt’s zur Hochzeit dann Erbsensuppe!
Kleines Nachspiel: Der meckernden Königin legt man die rohe Hülsenfrucht postwendend unter die eigene Matratze – und sie merkt gar nichts!
Von den erfundenen Gründen, die zur Ablehnung einer Prinzessin führen, klingt einer sehr altbacken und wenig einleuchtend: Prinzessinnen trügen keine Mützen, sondern Krönchen – behauptet die Mutter des Prinzen. Die aber wird gleich zu Beginn als unsympathische Übermutter skizziert und letztlich zum Glück widerlegt: Auch die Zukünftige des Prinzen trägt Mütze, kann Karate und muss sich den überholten Weiblichkeitsklischees nicht (mehr) unterwerfen. Passend zur Lächerlichkeit trägt Frau Königin einen altmodischen Kaffeekannen-Wärmer als Kopfbedeckung, und Katrin Sagener spielt sie herrlich überkandidelt. Sie schlüpft auch in die Rollen sämtlicher Prinzessinnen, von den aussortierten bis zur auserwählten. Judith Mauch verwandelt sich in einen ebenso höflichen wie bodenständigen Prinzen. Unter der Regie von Gero Vierhuff entstehen tolle Dinge aus einfachen Kissen: Die runden werden zu Rädern an der Kutsche, andere dienen als Hut, Mond oder Türme für ein Schloss und sogar als Elefantenohren – denn der Prinz reiste auf Brautschau immerhin bis nach Indien!