Text: Angela Dietz | Foto: Tandera Theater
Mit den Namen ist das so eine Sache. Wenn ein Spatz Adler heißen soll, kann das eine Bürde sein. Wie Friedrich, der Allerkleinste von drei Spatzen, sich von dieser Bürde befreit, das zeigt das Tandera Theater mit seiner neuesten Inszenierung. Die Geschichte nach dem gleichnamigen Buch von Rudolf Herfurtner eignet sich für Kinder ab vier Jahren.
„Friedrich klein, kurzes Bein!“, verspotten Anton und Paula ihren kleinen Spatzen-Bruder. Seinen Namen hat er vom Onkel, dem „Adler unter den Spatzen“. Und immer können die beiden Geschwister alles besser. Jetzt soll Friedrich auch noch Fliegen lernen. Aber er hat Angst und erfindet immer neue Ausreden, wenn Vater Siegfried mit ihm üben will.
Souverän und liebevoll führt Dörte Kiehn ihr Figuren-Ensemble, die Spatzen beim Brüten, bei den Flugübungen, beim Ausflug ans Meer. Sie verleiht Paula die kecke Stimme, Friedrich eine zarte und Anton die selbstbewusste, Vater Siegfried den kurzangebundenen Mhmpf-Ton, Mutter Elfriede einen klaren, klugen und den drei Ratten ebenfalls eigene Stimm- und Tonlage. Leicht und genau kennzeichnet Dörte Kiehn die Figuren und wechselt die Erzählebenen.
Oben auf dem Kleiderständer-Baum im Filzhut-Nest hocken die Spatzen, am Meereshimmel-Schirm schwingen sie als Miniaturen durch die Lüfte, sozusagen als Doppelbesetzung. Die beeindruckende, feuerrote Riesenkatze windet sich um den Baum, während Friedrich ganz für sich allein Fliegen übt und der Rest der Spatzenfamilie ausgeflogen ist.
Und der kleine Spatz, der flattert plötzlich los und fängt vor Freude an zu jauchzen. Statt wieder im heimatlichen Nest zu landen, fällt er jedoch in den Ratten-Keller. „Der Flattermann ist nicht mein Problem“, brummt Schiffsratte Johnny zunächst wenig begeistert. Doch er ist es schließlich, der Friedrich seinen neuen Namen verpasst: Ratzenspatz. Überhaupt, die Ratten: Schon die Namen ‒ Knaller, Siebrille ‒ sind lustig und sprechen Bände über ihre Herkunft. Mehr wird hier nicht verraten.
Die Tandera-Werkstatt hat eine wundervolle, technisch einfache und zugleich raffinierte Ausstattung gebaut, das Konzeptionsduo Anne Sudbrack und Dörte Kiehn einen sehr ansprechenden, gut funktionierenden, dramaturgischen Rahmen rund um die Ratzenspatz-Geschichte entwickelt. Als die Puppenspielerin mitsamt Geschichte und Figuren den Auftrittsort erreicht, ist der versprochene Bühnenausbau nicht vorhanden. Selbst der witzige Gang ins Publikum überzeugt und gleitet nicht in vordergründiges Mitmachtheater ab.
Die Figuren sind liebevoll gestaltet, die bräunlichen Spatzen nicht einfach nur braun und auch optisch gut zu unterscheiden. Karl-F. Parnow-Kloths Musik aus dem Off schließlich, darunter feine Puzzlestücke bekannter Melodien, moderiert die Überleitungen und erzeugt die passenden Stimmungen.
Dem Tandera Theater ist mit Ratzenspatz wieder eine runde, schöne und spannend anzuschauende Inszenierung für das jüngste Publikum gelungen. Einige witzige Kinder-Kommentare bei der Premiere ließen auf Regie-Nachwuchs schließen.
„Ratzenspatz“ und weitere Stücke des Tandera Theaters können unter tandera.de gebucht werden.