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Regie

Kampnagel
Sabrina Braemer unterweist das Publikum

Sabrina Braemer unterweist das Publikum

Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: David Baltzer

Regisseure haben das Sagen im Theater. Sie sind (all)mächtig. Was aber entsteht, wenn diese Macht abgegeben wird, an Menschen, die daran überhaupt nicht gewöhnt sind? Eine Art Laborsituation, mit teilweise offenem Ausgang: Drei Menschen mit Downsyndrom übernehmen die Kontrolle über das Bühnengeschehen und führen „Regie“ – so der Titel der jüngsten gemeinsamen Produktion vom Berliner Theater Thikwa und dem Performancekollektiv Monster Truck.
Sobald behinderte Menschen Theater spielen, steht eine Frage im Bühnenraum: Werden die Behinderten von nicht-behinderten Entscheidungsträgern im besten Fall nur ausgestellt oder schlimmstenfalls sogar benutzt? Sahar Rahimi, Regisseurin und Mitgründerin von Monster Truck, beantwortet sie gern: „Wir benutzen die Behinderten, und sie benutzen uns.“ Und kontert: „Warum stellt man diese Frage nicht bei Nicht-Behinderten?“ Auch dort gibt es schließlich Regisseure, die ihre Schauspieler nur benutzen und mitunter bloßstellen. „Uns geht es eher um die Frage, was macht es mit dem Publikum, im Theater mit Behinderten konfrontiert zu werden?“ Das erkundeten Thikwa und Monster Truck erstmals in der abendfüllenden Performance „Dschingis Khan“, die ebenfalls auf Kampnagel zu sehen war: Sabrina Braemer, Jonny Chambilla und Oliver Rincke – drei geistig Behinderte, die man früher Mongoloide nannte – verwandelten sich in Mongolen und spielten mit dem zweifelhaften Ruf des mächtigen titelgebenden Mongolenherrschers. Der Abend legt es darauf an, dass sich auf der Bühne „Vorstellungen von fremdländischer Exotik mit landläufigen Ideen von geistiger Behinderung vermischen“.
Bei „Regie“ gehen die Verantwortlichen noch einen Schritt weiter, sie geben die Kontrolle ab. Thematische Interessen der Drei waren schnell gefunden: Oliver Rincke ist Actionfilm- und Sylvester-Stallone-Fan, folgerichtig inszeniert er mit einem Schauspieler eine Rambo-Variante; Sex treibt Jonny Chambilla auch im Theater um, und so entscheidet er sich für einen gestalteten Strip einer Pornodarstellerin; Sabrina Braemer schließlich begeistert sich für die Welt der Prinzessinnen – welche Regieanweisung sie gibt, bleibt indes eine Überraschung fürs Publikum. „Alle Drei agieren auf diese Weise aus, was sie im Alltag nicht ausagieren können“, so Sahar Rahimi, „und dabei können sie sehr manipulativ sein.“ Und ergänzt: „Sie spielen ihre Behinderung aus, wohl wissend, dass man ihnen gewisse Dinge nicht verwehren kann. Und sie sind sich bewusst darüber, welche Spielräume sie haben!“ Es macht also Spaß, das Sagen zu haben. Bleibt nur noch die Frage, ob das Publikum diesen Machtwechsel aushält.
Kunstprojekt „Krankheit als Metapher“, Kampnagel, 30.10.–1.11., Karten unter Tel. 27 09 49 49

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