Kritik / Schauspiel

Ruin

Theater Axensprung im Tschaikowsky-Saal

Gauleiter Karl Kaufmann (Erik Schäffler) versteht keinen Spaß, auch gegenüber Musiker Karlo (Markus Voigt) nicht

Text: Christian Hanke / Foto: Alexandra Calvert

„Ruin“: Theater Axensprung betitelt auch den dritten Teil seiner Produktion über die Weimarer Republik mit einem einzigen Wort. Nach „Gier“ und „Vulkan“. Das „Schauspiel über den Niedergang unserer ersten deutschen Demokratie“ bettet ebenso wie die Vorgänger die Geschichte von Freunden und Bekannten in das politische und gesellschaftliche Geschehen der letzten Jahre der Weimarer Republik ab 1929 bis 1933. Und wie die anderen Stücke, lässt sich auch Teil drei als eigene, in sich geschlossene Handlung verfolgen, ohne zwingend die Vorgeschichten zu kennen.

Hoffnung, Lebenslust, Wut und Verzweiflung wechseln sich ab in diesen Jahren der Weltwirtschaftskrise, in denen die NSDAP von der Mini-Splitterpartei zur zweitstärksten politischen Kraft im Lande aufsteigt und mit ihren SA-Schlägertrupps die Straßen unsicher macht. Axensprung setzt da ganz auf Hamburg, um die zunehmende Nazimacht zu zeigen. Auf die Laufbahn von Karl Kaufmann, dem Hamburger Reichsstatthalter und Gauleiter, einem erfolglosen Taugenichts, der, exemplarisch für viele Nazi-Größen, nur durch Protektion von Goebbels, den er zunächst bekannt machte, und Hitler Macht  Einfluss gewann, was in der Hamburger Öffentlichkeit wenig bekannt sein dürfte. Erik Schäffler spielt ihn eindrucksvoll als skrupellosen und raffinierten Gangster, der nichts mehr zu verlieren hat. Ihm steht Stadtplaner Paul Schätzing gegenüber, ein gestandener Sozialdemokrat und überzeugter Demokrat, der schließlich bereit ist, die Republik auch mit Gewalt zu schützen. Bei Oliver Herrmann in besten Händen. Verzweifelt und deprimiert über die Entwicklung dieser Jahre muss die ehemalige Kommunistin Martha Knies sogar mitansehen, wie ihr Sohn sich der Hitlerjugend anschließt und ihr Ex-Mann nun SA-Obersturmbannführer ist. Mignon Remé spielt nicht nur sie, sondern verleiht außerdem Kurzzeit-Kanzler Franz von Papen skurrile Gestalt, der Reichspräsident Hindenburg im Januar 1933 drängte, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.

Alle fünf Schauspielerinnen und Schauspieler verkörpern  in bewährter Axensprung-Manier in fliegendem Wechsel mehrere, ganz unterschiedliche Rollen. Das gibt der Inszenierung die schon bewährte Mischung aus informativen wie unterhaltsamen Elementen. Mit viel Tanz und Musik, für die in erster Linie überzeugend Angelina Kamp und Markus Voigt als jüdische Fotografin und Sängerin Lucy Lewin und Musiker „Karlo“ Rettmann verantwortlich sind: Lebenslust pur neben Anbiederung an das sich anbahnende neue Regime und Ausschluss aus demselben.

Axensprung hat erneut eine Episode Geschichte lebendig gemacht, unter Berücksichtigung heutiger Entwicklungen wohl die wichtigste aus der jüngeren deutschen Vergangenheit.

Aufführungen täglich bis 16.6. im Tschaikowsky-Saal, Tschaikowskyplatz 2

Im September alle drei Teile über die Weimarer Republik:
„Gier“, 18.–22. + 30.9. (19.30 Uhr, 22.9.: 11 Uhr)
„Vulkan“, 22.–27.9. + 1.10. (19.30 Uhr, 27.9.: 11 Uhr)
„Ruin“, 27.–29.9. + 2.10. (19.30 Uhr, 28, + 29.9. auch 11 Uhr)

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