Kritik / Musiktheater

So oder so – Hildegard Knef

Ernst Deutsch Theater

Berührende Anverwandlung: Gilla Cremer als Hildegard Knef mit Gerd Bellmann am Klavier

Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Oliver Fantitsch

Das gelingt Gilla Cremer wie niemandem sonst: Sich einer fremden Persönlichkeit zu nähern, so dass sie ihr selbst und dem Publikum sogar noch von der Bühne aus zur guten Bekannten wird. Als sie sich 2004 auf diese Art mit Hildegard Knef vertraut machte, war die schillernde Künstlerin gerade einmal zwei Jahre tot – und ihr Witwer Paul von Schell saß bei der Uraufführung im Zuschauerraum des Hamburger St. Pauli Theaters.

„So oder so – Hildegard Knef“ wird nun im Ernst Deutsch Theater stürmisch bejubelt. In Begleitung des kongenialen Musikers Gerd Bellmann und dank der nuancierten Regie von Hartmut Uhlemann gelingt Gilla Cremer mit diesem Abend eine sehr berührende Anverwandlung.

In gut zwei Stunden singt und tanzt sie sich durch das Leben der 1925 geborenen Schauspielerin, Sängerin und Autorin, von der vaterlosen Kindheit zu frühem Film-Erfolg über eine beispiellose Karriere am Broadway bis zur Chansonsängerin und Buchautorin in Deutschland. Im allerersten Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ machte sie schon 1946 von sich reden; und als „Die Sünderin“ sorgte sie im gleichnamigen Film 1951 für einen ebenso großen Skandal wie für Zulauf an den Kinokassen – sogar die katholische Kirche fühlte sich seinerzeit berufen, über das cineastische Werk den Erzbischofsstab zu brechen. In den 1960er-Jahren brillierte sie mit acht Vorstellungen wöchentlich in Cole Porters „Silk Stockings“ – als Deutsche eine Sensation! Ihre frühe Autobiografie „Der geschenkte Gaul“ avancierte zum meistverkauften Buch nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Leben in Superlativen also, wären da nicht die tiefen Schicksalsschläge auf privater Ebene: Als späte 42-jährige Mutter brachte sie sich 1968 in Lebensgefahr, wenige Jahre danach musste sie eine Krebsdiagnose verkraften. Drei Ehen zeugen ebenfalls vom Auf und Ab.

Wie sehr sich an „Hilde“ die Geister und Geschmäcker schieden, macht Gilla Cremer eindringlich und unterhaltsam klar: Sie konnte nicht ohne Öffentlichkeit, und litt doch häufig an dieser Verurteilung durch Menschen, die sich an ihrer unkonventionellen Haltung oder ihren unverblümten Äußerungen stießen. „Von nun an ging’s bergab“, sang sie schon früh im selbstironischen Rückblick auf den eigenen Werdegang, doch eben auch: „Ich brauch’ Tapetenwechsel, sprach die Birke“, die sich bekanntlich in der Dämmerung auf den Weg machte. Auf den Weg gemacht hat sie sich immer wieder, egal, wie viele Steine dort unvermutet warteten. Das wird durch die sensibel ausgewählten Texte deutlich, ausschließlich von ihr selbst und über sie Geschriebenes in einer montierten Collage. Das Berührende des Abends steckt zwischen den Zeilen, zwischen den Liedern und zwischen den Tasten: Gerd Bellmann ist der ideale Begleiter auf dieser wechselhaften Reise, sowohl als Pianist, aber auch als Sänger und Sprecher.

In Gilla Cremers Verkörperung kommt es nicht auf äußerliches Ähneln an – obwohl sie der Knef in bestimmenden Momenten sehr gleicht, was auch der Sonnenbrille, dem ausladenden Hut und einer typischen Garderobe geschuldet ist. Nein, die Verblüffung stellt sich ein durch die Bewegungen: der jungen rastlosen, der verzweifelten, der trunken vor Glück taumelnden und der ruhig alternden Frau.

Das letzte Wort hat Hildegard Knef persönlich: „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, singt sie aus dem Off mit der unverwechselbaren, dunklen Stimme – und so macher im Publikum wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Auge.

Aufführungen bis 7.11. im Ernst Deutsch Theater

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