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Deutsches Schauspielhaus
Der Turmbau zu Babel

Metapher für das Nicht-Verstehen der Menschen: der Turmbau zu Babel (Marten van Valckenborch, 1535-1612)

Text: Hans-Peter Kurr

Hätte es die mit dem Begriff SPAM einhergehende Thematik bereits vor einem halben Jahrhundert gegeben, so würden wir Roland Schimmelpfennigs am 23. Mai uraufgeführtes Stück mit diesem Kurztitel zur Kategorie des absurden Theaters zählen: Es hätte aus der Feder eines Ionescos oder Becketts stammen können und lässt sich – inhaltlich – genauso schwer erzählen wie deren ver-rückte Spiele. Albträume, Schreckensvisionen, fiebrige Zerrbilder wechseln einander ab, bilden häufig analoge Allegorien zu Situationen, in denen die Lebensanforderungen den schwachen Menschen überfordern auf diesem seinem Schulungsplaneten Erde. So auch hier, kurz gesagt: Sechs Menschen fahren im Zug durch einen Tunnel, aber der Zug fährt – implantiert – durch den Kopf des größten Passagiers, hier Riese genannt.

Das ist an sich alles, aber mit welcher Fülle abstruser Ideen füllt Autor Schimmelpfennig, der an der Kirchenallee auch sein eigener einfallsreicher Regisseur ist, diese Petitesse!
Und: Der Regisseur und Bühnenbilder Wilfried Minks hat dazu ein ebenso absurdes Bühnenbild geliefert. Als Background-Hänger wird die Bühne begrenzt durch van Valckenborchs auf den Kopf gestelltes Gemälde „Der Turmbau zu Babel“, seit jeher Chiffre für des Menschengeschlechts notvolle Hybris. Davor eine Spiegel-Feuer-Schmutz-Blut-Öl-Kulisse, einmal mit vielen grellen Swoboda-Scheinwerfern brutal ausgeleuchtet, ein anderes Mal in orientierungslose Finsternis getaucht. Der gesamte Albtraum – gespielt von sechs ungemein strapazierfähigen Schauspielern – währt einhundert Minuten und entlässt den teils verschreckten, teils amüsierten Zuschauer durchaus befriedigt in die Hamburger Sommernacht.

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