Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Anna Stöcher
„Die Hamburger können lachen und denken gleichzeitig“, schmeichelte Matthias Hartmann, Intendant des Wiener Burgtheaters, anlässlich des ersten Gastspiels seines Hauses beim Hamburger Theaterfestival dem Publikum. Beim zweiten Auftritt der „Burg“ konnten die Zuschauer nun lachen und weinen: „Stallerhof“ ist die tief berührende Geschichte über eine Liebe zwischen der 14-jährigen Beppi und dem nicht mehr jungen Knecht Sepp.
Beppi Staller lebt auf dem Hof ihrer Eltern im hinterwäldlerischen Bayern völlig isoliert, die streng katholischen Bauern fühlen sich mit der geistig behinderten Tochter gestraft. Gänzlich gegen deren Moral entwickelt sich zwischen dem Mädchen und dem ähnlich einsamen Knecht aufrichtige Zuneigung – und Beppi wird schwanger. Dem vom Hof gejagten Vater ihres Kindes folgt sie samt Baby in die Großstadt München, doch die unkonventionelle Familie hat auch dort keine Chance …
110 Minuten hängt das Publikum an den Lippen der sensationellen Schauspieler. Sarah Viktoria Frick spielt die zurückgebliebene Jugendliche derart liebenswert und ohne auch nur eine Sekunde die Behinderung auszustellen, dass niemand die Augen von ihr lassen kann. Was sprachlich bayerisch unverständlich bleibt (Autor ist Franz Xaver Kroetz), macht Frick mit einer unnachahmlich-direkten, kindlichen Körpersprache klar. Regisseur David Bösch ist eine wunderbare Neuinterpretation jenes Stoffes gelungen, der in den 1970er Jahren mit Eva Mattes in der weiblichen Hauptrolle für Aufregung sorgte.