Text: Sören Ingwersen | Foto: Svea
Die wilden Tiere wollen uns fressen und werden im letzten Moment von ihren Ketten zurückgerissen. Dies ist eines der „Dom-Phantome“, mit denen die Schüler der Stadtteilschule Niendorf im Fundus Theater für echten Geisterbahn-Grusel sorgen. Echt? Nicht ganz. Denn die „Dom-Tester“, die bei der Präsentation der sechsten Ausgabe des Recherche-Projekts „There’s No Business Like Showbusiness“ auf der Videoleinwand vom Ort des Geschehens berichten, vermischen Fakten mit Fiktionen. Schließlich kommt es im Theater nur darauf an, sich auf das Spiel einzulassen. Und dieses Spiel kostet Geld. 3000 Euro haben die Klassen der Stufe fünf und sechs zur Verfügung gestellt bekommen, um insgesamt drei eigene Shows auf die Bühne zu bringen, die sie sich nun gegenseitig vorführen. Erstes Thema: der Dom. Aber wie bringt man einen Kirmes auf die Bühne? Mit gebrannten Mandeln, originaler Geräuschkulisse, einem „Freefall“ aus 80 Meter Höhe, gefilmt aus subjektiver Perspektive, und der Performerin Sibylle Peters, die als „stärkste Frau der Welt“ auf der Bühne zwei Teddybären stemmt.
Von ihren 16 eigenen Vorschlägen erkoren die Schüler für ihre zweite Show das Einhorn zum Hauptdarsteller. Einen Hauptdarsteller, den es erst einmal zu finden gilt. Mit einer Gruppe von Kindern begibt Performer Guy Marsan sich in den Wald. Dort findet man Einhornhaare, Einhornglitzer und sogar einen rosafarbenen Einhornpups – die Filmkamera hat es dokumentiert. Nahtlos wird das Spiel in den Saal der Forschungstheaters verlängert: Gehüllt in lichtdurchfluteten Nebel betritt ein echtes Tier den Raum. Wer da nur ein Pony mit aufgeklebtem Stirnhorn sah, war selber schuld. Die Illusion genießen kann nur, wer sich auf sie einlässt.
Das gilt auch für das dritte Showthema: Computerspiele. Um einmal wie im Adventure-Game durch die Luft zu wirbeln, besuchten die kostümierten Schüler einen Trampolinpark. Wieder geben die Videosequenzen den Startschuss für das Bühnenspiel, wo Leuchtklötze zu einer Mauer gestapelt werden und der „Endgegner“ in Form einer Piñata an der Decke baumelt, um mit einem Stock heruntergeschlagen zu werden. Die Kinder haben an all dem sichtlich ihren Spaß – und sollen doch etwas lernen. Showdirektor Christopher Weymann macht nämlich vor jeder Präsentation die Rechnung auf, wieviel Geld für Transport, Technik, Kostüme und Requisiten ausgegeben wurde. Um die Kosten wieder einzuspielen, müsste jeder der 50 Besucher 60 Euro Eintritt zahlen. Wäre den Kindern der Theaterbesuch so viel wert gewesen, oder hätte sie das Geld lieber für andere Sachen ausgegeben? Diese Frage stellt Sibylle Peters am Ende in den Raum. Ein Mädchen sagt, 60 Euro seien o.k., alle anderen schweigen. Ist ja auch schwierig, den Wert des eigenen Projekts zu beziffern und sich einzugestehen, dass der kostendeckende Eintrittspreis unrealistisch hoch ist. Theater braucht (staatliche) Unterstützung, damit es sich finanzieren kann – dieser Satz fiel einmal während der Präsentation, aber die fünf Performer hätten ihn wohl gern auch aus Kindermund gehört.