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Trau Dich!

Kompanie Kopfstand im Fundus Theater
Trau Dich!

Alina (Lisa Scheibner) zieht sich in ihren Kokon zurück: Der Verlobte ihrer Schwester hat sie „angefasst“

Text: Angela Dietz | Foto: Margaux Weiß

Ein Theaterstück künstlerisch anspruchsvoll zu gestalten, das einen ganz bestimmten Zweck hat, ist eine besondere Herausforderung. Der Kompagnie Kopfstand gelingt dies mit „Trau dich!“, einer Collage über Gefühle, Grenzen und Vertrauen für Zuschauer ab acht Jahren. Im Rahmen des Festivals „Spurensuche 12: Alles nur erfunden!“ zeigte sie, wie man eine Auftragsarbeit im Rahmen der bundesweiten Initiative zur Prävention sexuellen Missbrauchs ästhetisch adäquat produzieren kann. Es ist eine Dramaturgie mit mehreren Ebenen, dazugehören auch Filmeinblendungen mit Kommentaren von Kindern.

Schon während das Publikum im Hof die Pause zwischen den Veranstaltungen genießt, wird es einbezogen. „Wie fühlst du dich grade?“, fragt einer der Schauspieler/Musiker, die später auf der Bühne diverse Rollen einnehmen. Die Truppe mit Julia Bihl, Lisa Scheibner, Helge Gutbrod und Johannes Birlinger wendet sich mit der Antwortensammlung direkt ans Publikum, nimmt sie als Impuls für Fragen und Spiel. Und die Schauspieler sagen eingangs selbst, wie sie sich grade fühlen.

„Muss man immer wissen, wie man sich fühlt?“ Und wie bringt der Körper die unterschiedlichsten Gefühle zum Ausdruck, für die man manchmal gar kein Wort findet oder gelegentlich Wortschöpfungen extra erfindet? Herzklopfen, Schweißausbrüche, Gänsehaut, Starre.

Die Kompagnie spielt unter der Regie von Annina Giordano-Roth und Christopher Gottwald drei Geschichten, in denen jeweils ein Kind und seine Gefühle im Mittelpunkt stehen: Paula, 12 Jahre alt, die noch nicht küssen will; der zehnjährige Vladimir, der seine Oma liebt, aber nicht immer von ihr abgeschlabbert werden möchte und Alina, die verstummt und erstarrt, als sie erfahren muss, dass der Verlobte ihrer Schwester nicht länger ein lustiger Typ ist, sondern ein fieser Kerl, der sie am Oberschenkel und Geschlechtsteil anfasst. Alle drei Kinder schaffen es schließlich, auch mithilfe direkt vom Publikum erbetener Ratschläge, sich aus ihrer Beklemmung zu befreien und sich, wo nötig, Hilfe zu holen.

Das Spielerquartett Bihl, Scheibner, Gutbrod und Birlinger meistert unzählige Stimmungs- und Rollenwechsel mit Spielfreude und Leichtigkeit. Der rasante Wechsel zwischen Nüchternheit, Zurückhaltung auf der einen und Intensität auf der anderen Seite gelingt scheinbar mühelos.

Trotz der ernsten Thematik, teilweise schrecklicher Geschehnisse, ist vieles zum Lachen, löst sich die Anspannung darin auf. Im schlimmsten Moment dagegen ist es mucksmäuschenstill (nicht nur) im Publikum.

Es sind die dramaturgischen Ebenenwechsel, die die Zumutung der Themen einem Kinderpublikum zumutbar machen. Die Vielfalt der Mittel sind niemals Selbstzweck. Besonders beeindruckend ist ein riesengroßes hellgraues Spieltuch, ein einfaches Mittel, das die Schauspieler immer wieder verwandeln. Sie wringen es, breiten es aus, schwingen es zu Wellen, wickeln es zu einem runden Leib um eine Schauspielerin herum oder bauen ein Schutzzelt daraus für ein verletztes, ratloses Kind.

Raffinierter, aber an der Oberfläche schlicht, ist die schräge Bühne mit dahinterliegendem Graben, aus dem, in dem und in ihn hinein die Schauspieler springen, schleichen, versinken, sich verstecken oder stehen.

Die Schnitte zwischen den unterschiedlichen Collage-Teilen – direkte Ansprache, Szenenspiel, Filmeinblendungen, in denen sich Kinder direkt zur Szene oder zu „Gefühls-, Vertrauens- und Grenzfragen“ äußern – ziehen die vier Spieler häufig musikalisch. E-Bass und Gitarre, Akkordeon, elektronische Schlagzeupads und Gesang sind dramaturgisch elementar. Sie eröffnen das Spiel und beenden es.

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