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Ubus sind überall

„Ubumania“, Lichthof Theater
Ubumania

Karl-Heinz Ahlers (sitzend) und Thomas Esser als infantile Prototypen eines Diktators

Wer kennt es nicht, das Gefühl der Abhängigkeit von jemandem, der einfach am längeren Hebel sitzt? So wie zwischen Herrscher und Untertan, Lehrer und Schüler. Der Franzose Alfred Jarry schrieb sich als 15-Jähriger persönliche Ohnmacht und Schulfrust von der Seele – und damit Theatergeschichte: Seine Farce „König Ubu“ ist die bewusst boshafte Abrechnung mit einem despotischen Lehrer, 1896 uraufgeführt wurde sie zum viel beachteten Skandal. Sie ist ein großartiges Gleichnis auf die Diktatoren dieser Welt und damit zeitlos gültig. Die freie Theatergruppe Plan B entwickelte aus der Textvorlage eine Polit-Performance, macht dabei das Publikum zum (nur) zuschauenden Volk und den Abend damit zum Crashkurs in Tyrannenkunde: „Ubumania“ im Lichthof Theater.

Karl-Heinz Ahlers und Thomas Esser von Plan B legen zunächst ihre Hosen ab und XXL-Windeln an. Sofort mutieren sie zu Kleinkindern: Sie scheißen, schmatzen, dösen und brabbeln. Auf der nächsthöheren Entwicklungsstufe lernen sie schon grunzen und spielen, basteln sich eine Krone und erste Worte zurecht. Das reicht lässig als Qualifikation zum zukünftigen Alleinherrscher. Und wenn zwei von ihrer Sorte aufeinandertreffen, gilt es, den anderen zu traktieren und ihn vom Futternapf fernzuhalten – die logische Konsequenz ist Krieg! Sobald dann aus den Kindern Männer geworden sind, tragen sie Hitlerbärtchen oder Gaddafi-Attituden zur Schau … Ähnlichkeiten mit unlängst verstorbenen, längst verfaulten oder heute lebenden Personen sind alles andere als rein zufällig …

Sehr klug und eindringlich entlarvt „Ubumania“ Diktatoren als zurückgebliebene und triebgesteuerte Männer zwischen Lustprinzip und Machtgeilheit. Ahlers und Esser agieren als infantile Prototypen zum Fürchten gut und zum Brüllen komisch. Nur das Finale ist eine Riesensauerei: Die beiden fast nackten Spieler bespritzen sich mit Senf, Sahne und Ketchup, bewerfen sich mit rohen Eiern und grünem Wackelpudding – eine auf Effekte ausgelegte Materialschlacht und eine als Metapher zwar konsequente, aber nicht minder bedauernswerte Vernichtung von Lebensmitteln. Wer kennt sie nicht, die Rentnerin, die im Supermarkt fürs Essen ihre letzten Euros zusammenkratzt?

Lichthof Theater, Mendelssohnstr. 15, 19.8. um 19 Uhr, Karten 10/15 Euro, Tel. 85 50 08 40

Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Andreas Hartmann

One Comment

  1. Die abschließende Kritik an der künstlerischen Umsetzung wegen der Vernichtung von Lebensmitteln finde ich etwas dürftig.
    Ungefähr so überzeugend wie wenn man seinen Kindern sagt:“Iss Deinen Teller leer, in Afrika hungern die Menschen.“ Hoffentlich war der Strom der Bühnenbeleuchtung auch aus Ökostrom gespeist. Sonst müssen sich die Ökostrombezieher unter den Zuschauern auch noch grämen, dass Ihr ökologischer Fußabdruck einen mitbekommen hat. Nein, also bitte mehr Lebensmittel vernichten um der Kunst Willen als aus Gründen der kapitalistischen Produktionslogik im Supermarkt.
    Vielleicht sollte die Kritikerin das nächste Mal einfach 5 Euro mehr in Hut einer bettelnden Rentnerin legen. Tut dem eigenen Gewissen vielleicht gut und dann lässt sich auch wieder das Wesentliche der Kunst ungestört erleben (und besprechen).

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