„Komm und schaukle meine Eier“, singt Tim Grobe zur Melodie von „Great Balls of Fire“. Er mimt einen gescheiterten Politiker, der auf der Insel Sylt einen Freistaat ausrufen will. Das Niveau von Dietmar Loefflers neustem Liederabend „Sylt – ein Irrtum Gottes?“ in den Hamburger Kammerspielen liegt weiter unter dem, was hier gewöhnlich gespielt wird. Aber das liegt wohl am Sommer und womöglich an Sylter Verhältnissen, die hier als stark hormongesteuert ausgebreitet werden.
Petra Reiber, die tatsächliche Bürgermeisterin der Insel, hat zumindest ihr bekannte Menschen hinter jeder der Personen des Liederabends ausmachen können. Als da wären: Katja Friese, die Wirtin der Wonderbar, die Sylt nach einem Meteoriteneinschlag vor dem Untergang bewahren will, Heiner Weber, Ex-Politiker, der die zündende Idee hat, Sylt als Freistaat von Rest-Deutschand abzukoppeln, Polizist Jan Torf, der die Welt, insbesondere aber die Schweinswale retten will, der schwule Barkeeper Sven Müller, immer auf der Suche nach dem nächsten Sex, Musiker Paolo und Reporterin Ina Briese von der Zeitung mit der stärksten Auflage, ohne Rücksicht auf irgendwen auf der Suche nach einer Sensationsstory. Sie alle wollen den Freistaat Sylt ausrufen, mit Flagge, eigens komponierter Hymne und Geldscheinen, die die Konterfeis von Ole von Beust und Günter Netzer zieren.
Rund um den Versuch, Sylt in eine Steueroase à la Monaco oder Liechtenstein umzuwandeln, singen und spielen die sechs Schauspieler entlang einer dünnen Story mit teilweise starken musikalischen Auftritten auf der Grundlage von bekannten Hit-, Musical- und Opernmelodien.
Insbesondere Carolin Fortenbacher als kämpferische Wonderbarwirtin und Tim Grobe, Gast vom Deutschen Schauspielhaus, begeistern mit stimmlicher Kraft und Präzision.
Text: Christian Hanke
Foto: Bo Lahola