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Vom Beben und Rammeln

"Sex im Alter", Schauspielhaus (Kantine)
Sex in Alter

Jana Domitra und Hans Krumnow können nicht nur kuscheln.

In Seniorenresidenzen setzen sich ältere Herrschaften zum harmlosen Halma-Spiel oder auf einen magenfreundlichen Tee zusammen. Oder? Das gängige Klischee gesteht den Alten gern einen Ruhesitz zu, wenn es aber um andere Positionen geht, ist die Gesellschaft weniger tolerant: „Sex im Alter“ finden viele unanständig. Wie es wirklich ist, zeigt eine mutige Truppe fortgeschrittener Amateure im fortgeschrittenen Alter, und sie sprechen aus, was gemeinhin gern unter den Schlafzimmerteppich gekehrt wird: „Lust erlischt erst in der Sterbesekunde.“ Damit öffnete sich das am Deutschen Schauspielhaus beheimatete (bislang jugendlichen Nachwuchs fördernde) Festival „Backstage“ erstmals für eine reine Seniorengruppe.

Und die setzte Jan Phillip Meyer in Szene, mal behutsam, mal frech und provozierend. Inhaltlich vorgegeben hatte er nur die Ausgangssituation: einen Arztbesuch wegen Schlafstörungen. Der Mediziner rät – weil ja viel gesünder als pharmazeutische Mittel – zum Kauf eines knallgrünen, handlichen Dildos, den die Seniorinnen spielend „die kleine Raupe Nimmersatt“ nennen. Ohnehin stammen die meisten Texte des gut 60-minütigen Stücks von den Akteuren selbst, weisen folglich einen hohen biografischen Eigenanteil auf. Die zehn Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 65 und 85 erinnern sich an erotische Erfahrungen und moralische Zweifel, an großartige Glücksmomente und grauenvolle Rammler.

Die Männer gestehen, dass es nicht mehr so oft und so schnell geht, die Frauen stehen zu ihren alters- und zeitlosen sexuellen Fantasien, sie wissen, sie können „genauso beben wie als junge Frau“. Und sie trauen sich, eine Kontaktanzeige aufzugeben, wollen einen „potenten Partner“, aber „bitte kein Reste-Poppen“! Die fantasierten Antworten reichen vom „ich fick dir deine Falten glatt“-Angebot bis zu bösen Beschimpfungen wie „geile Hexe“ mit „Hottentottentitten“. Damit bilden sie vermutlich ein repräsentatives Spektrum dessen ab, wie gesellschaftlicher Durchschnitt sexuell aktive Menschen ab 65-plus betrachtet.

Während sich die Älteren im Publikum beim Hören solcher Vokabeln mitunter erschrocken die Hand vor den Mund schlagen, bringen es die mutigen Darsteller prägnant auf den Punkt, zeigen Mut, Humor und durchbrechen ein Tabu. Schauspieler Mathieu Carrière (61) reagiert filmisch eingespielt als potenzieller und potenter Partner ebenfalls auf die anregenden Annoncentexte, er rät das Gebiss rauszunehmen „beim Blasen“. Agile Akteure, die weder die Hand noch ein Blatt vor den Mund nehmen.

Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: www.schlieter-photography

Die Vorstellung am 22.5. in der Kantine des Schauspielhauses ist ausverkauft, doch ist „Sex im Alter“ von Seniorenresidenzen und Altenheimen buchbar unter kontakt@schauspielhaus.de

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