Kinder & Jugend / Kritik

Wenn mein Mond deine Sonne wäre

Gero Vierhuff im Fundus Theater

Ein inniger Moment: Max (Kai Benno Vos) gibt seinem Großvater (Thorsten Neelmeyer) Halt

Text: Angela Dietz, Foto: Ellen Coenders

„Wenn mein Mond deine Sonne wäre“, heißt eine 2015 erschienene Geschichte von Andreas Steinhöfel. Jetzt hat Gero Vierhuff die poetische Geschichte der innigen Liebe zwischen dem neunjährigen Max und seinem Großvater auf die Bühne gebracht.

Opa lebt seit kurzem am Stadtrand im Altenheim, weil er „nicht mehr alle Murmeln im Schüsselchen hat.“ Der neunjährige Enkel beschließt, Opa zu entführen. Ziel ist die Blumenwiese, wo Großvater die Großmutter zum ersten Mal geküsst hat – ein magischer Ort. Max weiß den Code für die Türsicherung. „Zisch“, schieben sich die Flügel vom Haupteingang auseinander. „Hoppla“, plötzlich steht auch noch Fräulein Schneider draußen neben ihnen. Von nun an ist sie mit von der Partie.

Es ist anrührend, wenn Kai Benno Vos als Max ganz allein dasteht und erzählt, wie er beim Duft von Äpfeln an Großvaters Hand denkt. Im Hintergrund reibt Thorsten Neelmeyers Opa versonnen seine Hand. Es gibt einige dieser Momente, die eine große Ruhe ausstrahlen. Fast spürt man im Publikum die Geborgenheit, riecht die Äpfel.

Tempo nimmt das Geschehen auf, als das Trio auf der Flucht ist. Jannis Kaffkas Livemusik sorgt mit einem flotten Swing für Rasanz. Seine Instrumente, zu denen neben Klavier, Ukulele und Melodica auch Sounds und Geräusche gehören, sind passgenau eingesetzt und schweigen in den Momenten von Ruhe und Tiefe.

Die Musik und die ausgefeilte Gruppenchoreografie übernehmen in der Inszenierung hin und wieder die Erzählerrolle auf sehr unterhaltsame Weise, lassen eine illustrierende Funktion weit hinter sich. Regisseur Vierhuff verzahnt, wie in seinen anderen Kindertheaterinszenierungen, auch diesmal gekonnt Choreografie, Sprache und Musik, die ebenso gut für sich stehen können.

Auf der Blumenwiese sprechen Max und der Großvater ungestört miteinander. Währenddessen tanzt Cornelia Dörrs Fräulein Schneider auf der Wiese fast ohne Unterlass mit beseelter Miene. Das ist zugleich hochkomisch und anrührend. Hin und wieder überrascht sie mit einem spitzbübischen Charme, der über ihr Gesicht huscht.

Der Junge umarmt und hält den Alten und umgekehrt. Denn der Großvater ist die meiste Zeit ganz klar im Kopf. Doch dann scheint sein Geist plötzlich wegzudämmern. Das Licht verwandelt die Szene in eine Abenddämmerung, ein leises Grollen ist zu hören. Er schreit seinen Enkel an: „Wer bist du?“

Der Schreck, den der Schrei bewirkt, zerreißt die vorübergehende Idylle und verdeutlicht unmittelbar, worum es geht. Die Furcht, die uns erfassen würde, erkennten wir unsere Umgebung nicht mehr; die Angst, wenn die, die uns lieben, uns plötzlich nicht mehr kennen. Ein Thema, das nicht nur Erwachsene umtreibt, sondern schon mehrfach fiktiv in der Literatur und auf der Bühne für Kinder gestaltet und bearbeitet wurde. Etwa mit „Tüdelig in‘n Kopp“ auf der Ohnsorg Studiobühne.

Der Opa-Enkel-Dialog über Sonne, Mond und Erde, die umeinander kreisen, durch Licht und Schatten, je nach Standort des Betrachters, zuweilen unsichtbar, dient in der Geschichte als Gleichnis. „Ich bin da, auch wenn du mich nicht sehen kannst“, will der Großvater seinem Max mit auf den Weg geben. Am Ende war die „Entführung“ ein schöner wie lustiger und sehr bewegender Ausflug.

Gero Vierhuff und sein Team haben eine unbedingt sehenswerte Bearbeitung für die Bühne aus Steinhöfels Geschichte gemacht, nah am vorliegenden Text und an den Bildern. Nele Palmtags farbige, aber nicht knallige Illustrationen tauchen in Swana Gutkes Bühne und Kostümen wieder auf. Eine so simple wie gut funktionierende Bühne aus Stellwänden, beidseitig und senkrecht wie waagerecht. Die Schauspieler, inklusive Kaffka, der auch den Pfleger gibt, spielen eine durch und durch glaubwürdige Szenerie. Wer je in einem Altenheim die Menschen beobachtet hat, erkennt bis ins Detail Gestik und Mimik alter (und verwirrter) Menschen wieder.

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