Text: Sören Ingwersen | Foto: G2 Baraniak
Wenn ein ganzer Theatersaal nach der Premiere „Halleluja“ singt, ist der Funke wohl übergesprungen. Der Funke der Musik und der Glaube an ihre befreiende Kraft – sie stehen im Zentrum von Kay Pollaks Drama „Wie im Himmel“, das der schwedische Regisseur 2004 selbst verfilmte und das nun in einer Bühnenfassung von Axel Schneider am Altonaer Theater auf dem Programm steht.
Georg Münzel brilliert in der Rolle des gefeierten Dirigenten Daniel Daréus, der nach einem Herzanfall in das Dorf seiner Kindheit zurückkehrt, wo er die Leitung des maroden Kirchenchors übernimmt. Schon die ersten Übungen, die Daniel seinen neuen Schützlingen auferlegt, offenbaren mit viel szenischer Komik, dass in der Gruppe nicht alles zum Besten steht: Den „eigenen Ton“ sollen die sieben Sängerinnen und Sänger finden und sich währenddessen gegenseitig auf den Rücken klopfen. Die Kräfte, die sich dabei entladen, lassen tief blicken.
„Ich habe diesen Traum: Ich möchte eine Musik machen, die verwundete Herzen heilen kann“, sagt Daniel und meint damit auch sich selbst. Er wähnt sich, aufgrund tragischer Vorkommnisse in der Vergangenheit, unfähig zu lieben. Auch die lebenslustige Lena (Franziska Herrmann), die ein Auge auf ihn geworfen hat, merkt bald, dass Daniel eine ziemliche Spaßbremse ist. Trotzdem hält sie zu ihm, wie die anderen Sänger auch, denn die konzentrierte Arbeit führt zu guten Ergebnissen und schweißt die Chorgemeinschaft zusammen. Sehr zum Ärger des bigotten Pfarrers Stig Berggren (Dirk Hoener), der seine Schäfchen davonlaufen sieht, und des gewalttätigen Conny (Holger Löwenberg), der mit dem erstarkten Selbstbewusstsein seiner Ehefrau Gabriella (Alice Wittmer) wenig anfangen kann.
Axel Schneiders kurzweiliger Inszenierung gelingt es, in oft schnell aufeinanderfolgenden Szenen Konflikte glaubwürdig darzustellen. Dabei steht ihm ein überzeugendes Ensemble zur Seite. Münzel präsentiert mit seinem Daniel eine beklemmend disharmonische Mischung aus Musiker und Mensch – der eine ehrgeizig, selbstsicher und resolut, der andere Introvertiert, verletzlich und in weltlichen Dingen gänzlich unerfahren. Dirk Hoener macht als halsstarriger Pfarrer dem Chorleiter das Leben schwer, während in seiner verspannten Körperhaltung die Unbeweglichkeit und Verlogenheit seines Denkens Gestalt annimmt. Anne Schieber durchtrennt als dessen Frau Inger mutig und mitreißend die Fesseln ihrer beengten Ehe, während Tobias Kilian die Rolle des geistig behinderten Tore feinfühlig und ohne falsche Übertreibung meistert.
Am Ende haben alle ihre „eigenen Ton“ gefunden und gehen auf in einer Art Sphärenharmonie. Musik als Religionsersatz und Moment mystischer Erlösung – diese Botschaft ist ähnlich ideologisch verbrämt wie die Figur des Pfarrers, der hier ihr Feindbild abgibt. Wer sich an derlei Klischees der Stückvorlage nicht stört, kann einen Abend genießen, der darstellerisch und musikalisch gekonnt mit Emotionen spielt.
Vorstellungen bis 16. August 2015 im Altonaer Theater