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„Cool“ in „America“

"West Side Story", Hamburgische Staatsoper
West Side Story

Polnische Einwanderer in der Neuen Welt: Mitglieder der Jets unter sich

Romeo und Julia leben überall. Im New York der 1950er Jahre hießen sie Tony und Maria, lebten in der Upper West Side und gerieten zwischen die Fronten rivalisierender Straßengangs. Kein malerischer Balkon bildete das Setting für den berühmten ersten Kuss, sondern die Feuerleiter eines New Yorker Hinterhofs. Immer gleich tragisch bleibt indes das Scheitern der großen Liebe an blindem Hass – und so endet auch die „West Side Story“ blutig.

Das Musical ging 1957 erstmals über eine Bühne am Broadway, der gleichnamige Film aus dem Jahr 1961 räumte epochale zehn (!) Oscars ab – und beide Versionen schrieben Film- und Musicalgeschichte. Dieses Maßstab setzende Original – und es ist das einzige, das sich so nennen darf – bespielt nun bis zum 26. August die Hamburgische Staatsoper. „West Side Story“ ist eines der erfolgreichsten Bühnenwerke aller Zeiten und das Ergebnis der Zusammenarbeit mehrerer genialer Künstler, die zufällig zeitgleich zur Hochform aufliefen: Leonard Bernsteins Musik ist unsterblich, mit „Maria“ und „Tonight“ schrieb er Songs, die sich überall auf der Welt mitteilen; die Liedtexte von Stephen Sondheim passen sich den Kompositionen perfekt an. Die Idee, Shakespeares weltberühmte Liebesgeschichte für New Yorker zu adaptieren, stammt von Jerôme Robbins, der auch inszenierte und choreografierte; das Libretto schrieb Arthur Laurents.

Die Zutaten stimmen also. Und eigentlich müsste beim Aufeinandertreffen der verfeindeten Sharks und Jets – Einwanderer aus Puerto Rico und Polen – die Luft vibrieren. Doch nichts dergleichen. Der zündende Funke will nicht so recht überspringen: Der „West Side Story“ spendete das Publikum bei der Hamburger Premiere heftigen, aber kurzen Applaus. Denn die Darsteller lassen seltsam kalt, Gesang, Tanz und Spiel berühren kaum. Dabei liefert nicht nur die Liebesgeschichte reichlich Emotionales, auch als Gesellschaftsdrama steckt Sprengstoff im Stück: Eigentlich kämpfen die feindlichen Jugendbanden um nichts weiter als ein paar Meter Asphalt – um die Kontrolle einer Straße in ihrem Stadtviertel. Doch im Grunde geht es um den zeitlosen Clash der Kulturen, deren unterschiedliche Moral und um die wenigen Jobs für Einwanderer. In einem der wenigen Momente, in denen sie sich miteinander verbrüdern, tun sie es aus der Not heraus, um eine wirkungsvolle Front gegen die offensichtlich so gar nicht integre Polizei zu bilden. Über „Officer Krupke“ machen sich die Gangmitglieder gekonnt lustig, der Traum von einer besseren Welt erklingt in „America“. Und alle sind ziemlich „Cool“.

Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Lea Fischer

One Comment

  1. Wie einem das Stück und dessen Komponenten kalt lassen kann (mal abgesehen davon, dass ich Probleme mit Ihren Formulierungen habe, es muss bei allen Kritiken viel mehr dargestellt werden, dass es sich um subjektive Wahrnehmungen handelt und kein Ist Zustand ist), weiß ich nicht. Mich haben sowohl die Darsteller und Gesang, Tanz etc. mehr als berührt. Der Applaus in der von mir besuchten Vorstellung war auch nicht kurz mit teilweise Standing Ovation.

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