„Ich galt als Geheimtipp“, bemerkt Professor Dr. Matthes Grebenhoeve so ganz absichtlich nebenbei. Nun befindet sich die Koryphäe der Psychotherapie mit Wunderheilerstatus allerdings in einer ungewohnten Situation. „Der Heiler“, einzige Figur in Oliver Bukowskis gleichnamigem Stück, das als Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin in den Hamburger Kammerspielen zu sehen ist, geht in einem klinisch-weiß gehaltenen Zimmer auf und ab und spricht in den Saal, dorthin, wo die Ermittler eines aufsehenerregenden Falles ihm aufmerksam zuhören. Grebenhoeve muss sich erklären. Schließlich wurde er nackt neben seiner toten Patientin Sophie Brettschneider aufgefunden.
Und er holt weit aus. Die Erklärung für den ungewöhnlichen Vorfall entwickelt sich zur großen Bestandsaufnahme der Psychotherapie, zur Generalabrechnung mit dem eigenen Beruf und seinen Möglichkeiten. Grebenhoeve schildert sein Verhältnis zu Sophie Brettschneider, einer hochintelligenten, sehr individuellen Frau, der der Psychotherapeut langsam, aber sicher verfallen war. Der Guru, der Wunderheiler, kapituliert vor einer Patientin.
Wie Jörg Gudzuhn in der Rolle des Professors Grebenhoeve diese Kapitulation gestaltet, das ist allerhöchste Schauspielkunst. Nicht eine Sekunde langweilig lotet Gudzuhn alle Facetten dieses intelligenten Fachidioten und brillanten Rhetorikers aus, der ganz im Stile eines Branchenstars auftritt und dennoch eine Niederlage eingestehen muss, ja sein lebenslanges Vorgehen in der Psychotherapie als Irrtum begreift. Gudzuhn weiß Sprache, Mimik und Gestik genau zu setzen und füllt mit seinem beeindruckenden Spiel jederzeit die Szenerie.
Text: Christian Hanke
Foto: Arno Declair