Highlight / Kritik / Musiktheater

Così fan tutte

Hamburgische Staatsoper
Così fan tutte

Ohne Männer liegen die Nerven blank: Fiordiligi (Maria Bengtsson), (Despina) Sylvia Schwartz und Dorabella (Stephanie Lauricella, v.l.n.r.) lassen sich auf ein gewagtes Spiel ein.

Text: Sören Ingwersen | Foto: Hans Jörg Michel

Einmal kräftig durchschütteln, bitte! Wenn Despina ihren Magneten auspackt, um nach Messmers Methode die Kranken zu kurieren, setzen die entfesselten Anziehungskräfte die Körper unter Strom. Mozart hat seine Oper „Così fan tutte“ mit viel Witz gespickt und Regisseur Herbert Fritsch kostet ihn an der Hamburgischen Staatsoper lustvoll aus. Bonbonbunte Klötze zwischen steil aufragenden Wänden, in der Mitte ein selbstspielendes Cembalo – das statische Bühnenbild ist Kinderzimmer, Experimentierfeld, Abenteuerlandschaft. Hier stellt Spielleiter Don Alfonso mithilfe von Despina die Liebe zweier Paare auf den Prüfstand. Denn während die Offiziere Ferrando und Guglielmo auf die Treue ihrer Partnerinnen Dorabella und Fiordiligi schwören, will Alfonso sie vom Gegenteil überzeugen. Zum Schein ziehen die jungen Männer in den Krieg, um in Verkleidung die Geliebte des jeweils anderen zu verführen. Sollte es gelingen, wäre die Unbeständigkeit des weiblichen Gefühls bewiesen, hätte Alfonso seine Wette gewonnen. Das Frauenbild, das hier gezeichnet wird, muss man nicht mögen. Kann man aber, wenn es so wenig ernst genommen wird, wie in dieser Inszenierung.

Fritsch gibt seinen sechs Sängern eine so expressive Stummfilmmimik und -gestik mit auf den Weg – auf dem es von Slapstick-Fallen nur so wimmelt –, dass hier am Ende niemand als Verlierer dasteht, weil offenbar alle ihren Spaß haben. Als echte Urviecher im Fransenkostüm schütteln Ferrando und Guglielmo ihre Yeti-Frisuren, um bei den Frauen Eindruck zu schinden. Eindrucksvoll sind hier auf jeden Fall die Stimmen: Kartal Karagedik gibt seinen Guglielmo mit formschönem Bariton, während Oleksiy Palchykov, der während der Aufführung für den verletzten Dovlet Nurgeldiyev einspringt, seinen Ferrando mit einer schier beglückenden tenoralen Strahlkraft ausstattet und auch komödiantisch große Ambitionen zeigt. Mit unschlagbarem Witz und herrlich überkandideltem Sopran zieht Sylvia Schwartz als intrigante Despina die Strippen in diesem Verwirrspiel der Liebe. Als trippelnder Harlekin mit roten Rüschen und schwarzen Lackstiefeln liefert sie einen pantomimischen Dauerkommentar zum Bühnengeschehen. Stimmlich ebenfalls in bester Verfassung verteilt Pietro Spagnoli als weiß geschminkter Don Alfonso im roten Zirkusmantel seine Anweisungen, während Maria Bengtsson als Fiordiligi ihren Sopran mit wunderbarer Leichtigkeit führt und auch Dorabella-Sängerin Stephanie Lauricella mit seelenvoller Stimmgebung überzeugt. Schade nur, dass die Philharmoniker unter der Leitung von Sébastien Rouland einige Intonationsschwächen zeigen und den typischen Mozart-Esprit im Dreigestirn von Schwung, Leichtigkeit und Präzision nicht vollends einfangen können. Zudem gibt es in Fritschs rasanter, minutiös gearbeiteter Figurenchoreografie einige längere Atempausen, in denen dem Meister des stilisierten Klamauks die Einfälle auszugehen scheinen. Trotzdem ist dieser Reigen zwischen Arienglück und Kaspertheater ein Fest für Ohr und Zwerchfell.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*