Text: Christian Hanke | Foto: Alexandra Calvert
„Revolution liegt in der Luft!“ Derzeit im Museum für Hamburgische Geschichte. Aber nicht nur in der Ausstellung „Revolution! Revolution?, Hamburg 1918/19“, die facettenreich über die Ereignisse vor 100 Jahren informiert. Eine Inszenierung des Theaters „Axensprung“ lässt in der Regie von Erik Schäffler Würdenträger und Entscheider der Revolutionsmonate und fiktive Personen aus dieser Zeit zu Wort kommen. Der Abend vermittelt durch historische Fotos auf einer Leinwand, Musik und Gesang ein beachtlich stimmiges Bild von den einschneidenden und wegweisenden Ereignissen der deutschen Geschichte zwischen November 1918 und Sommer 1919. Keine Kleinigkeit in 90 Minuten! Eine Schauspielerin und vier Schauspieler verkörpern 23 Personen, ausgewiesen durch authentische Kleidung und Tonlage. Historische Akteure wie Kaiser Wilhelm II., General Ludendorff, der Hamburger Bürgermeister Werner von Melle sowie die Sozialdemokraten Ebert, Scheidemann und Noske äußern ihre Positionen in Kurzauftritten, während sich zwischen dem aufständischen Matrosen Kurt Bayersdorf und der Arbeiterin Martha Knies Liebe entwickelt, die durch die Rückkehr von Marthas Mann Rudolf von der Front getrübt wird. Rudolf Knies beteiligt sich in voller Überzeugung an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstands und an der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin; für seine Frau Martha – inzwischen Sozialistin, und durch die Revolution emanzipiert – ist das inakzeptabel, auch, weil sie nicht mehr zurück will in die alte Ehefrauenrolle.
Das Neben- und Ineinander von realer und fiktiver Geschichte funktioniert bestens, ist durch die fein überzogenen Darstellungen der historischen Personen, die nie ins Lächerliche abdriften, und die gesungene „Novembermoritat“ sehr unterhaltsam. Da wird auch Hamburg nicht verschont: „Auch Hamburg trägt stolz nun das tiefrote Band. Dem Pfeffersack wird mittenmal blümerant, und er schlottert: ,Doch nicht hier, an der Waterkant!‘ Oh, doch!“
Mignon Remé, Oliver Hermann, Markus Voigt, Michael Bideller (in acht Rollen von Ludendorff über von Melle bis Ebert!) und Erik Schäffler gelingt, was leicht misslingen kann: Geschichte im Zeitraffer atmosphärisch berührend mit Sinn für Komik im blutigen Ernst auf die Bühne zu bringen.
Am Ende wird eine Nationalversammlung gewählt. Die SPD hat sich durchgesetzt. Ebert wird Reichspräsident und die Hauptakteure der Revolution sind unter SPD-Kommando ermordet, abgesetzt, verdrängt.
Immerhin, die Revolution hat das Kaiserreich hinweggefegt. Die erste deutsche Republik ist gegründet. Verwundert fragt das Ensemble: Wieso sind die Namen der Revolutionäre nicht allgemein bekannt?
Zitate aus „Novembermoritat“
Musik: Markus Voigt, Text: Mignon Remé, Erik Schäffler, Markus Voigt
Weitere Aufführungen: 10.6., 28.9., 11., 13., 18. und 20.11.2018, 24.2.2019,
Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24