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Revolution!?

Museum für Hamburgische Geschichte
Revolution!?

Immer schuss­be­reit: Barri­ka­den­kämp­fer gegen die Konter­re­vo­lu­tion (v. l. Michael Bidel­ler, Oliver Hermann, Erik Schäffler)

Text: Christian Hanke | Foto: Alexandra Calvert

„Revo­lu­tion liegt in der Luft!“ Derzeit im Museum für Hambur­gi­sche Geschichte. Aber nicht nur in der Ausstel­lung „Revo­lu­tion! Revo­lu­tion?, Hamburg 1918/19“, die facet­ten­reich über die Ereig­nisse vor 100 Jahren infor­miert. Eine Insze­nie­rung des Thea­ters „Axen­sprung“ lässt in der  Regie von Erik Schäff­ler Würden­trä­ger und Entschei­der der Revo­lu­ti­ons­mo­nate und fiktive Perso­nen aus dieser Zeit zu Wort kommen. Der Abend vermit­telt durch histo­ri­sche Fotos auf einer Lein­wand, Musik und Gesang ein beacht­lich stim­mi­ges Bild von den einschnei­den­den und wegwei­sen­den Ereig­nis­sen der deut­schen Geschichte zwischen Novem­ber 1918 und Sommer 1919. Keine Klei­nig­keit in 90 Minu­ten! Eine Schau­spie­le­rin und vier Schau­spie­ler verkör­pern 23 Perso­nen, ausge­wie­sen durch authen­ti­sche Klei­dung und Tonlage. Histo­ri­sche Akteure wie Kaiser Wilhelm II., Gene­ral Luden­dorff, der Hambur­ger Bürger­meis­ter Werner von Melle sowie die Sozi­al­de­mo­kra­ten Ebert, Schei­de­mann und Noske äußern ihre Posi­tio­nen in Kurz­auf­trit­ten, während sich zwischen dem aufstän­di­schen Matro­sen Kurt Bayers­dorf und der Arbei­te­rin Martha Knies Liebe entwi­ckelt, die durch die Rück­kehr von Marthas Mann Rudolf von der Front getrübt wird. Rudolf Knies betei­ligt sich in voller Über­zeu­gung an der Nieder­schla­gung des Spar­ta­kus-Aufstands und an der Ermor­dung von Rosa Luxem­burg und Karl Lieb­knecht in Berlin; für seine  Frau Martha – inzwi­schen Sozia­lis­tin,  und durch die Revo­lu­tion eman­zi­piert – ist das inak­zep­ta­bel, auch, weil sie nicht mehr zurück will in die alte Ehefrauenrolle.

Das Neben- und Inein­an­der von realer und fikti­ver Geschichte funk­tio­niert bestens, ist durch die fein über­zo­ge­nen Darstel­lun­gen der histo­ri­schen Perso­nen, die nie ins Lächer­li­che abdrif­ten, und die gesun­gene „Novem­ber­mori­tat“ sehr unter­halt­sam. Da wird auch Hamburg nicht verschont: „Auch Hamburg trägt stolz nun das tief­rote Band. Dem Pfef­fer­sack wird mitten­mal blümerant, und er schlot­tert: ‚Doch nicht hier, an der Water­kant!‘ Oh, doch!“

Mignon Remé, Oliver Hermann, Markus Voigt, Michael Bidel­ler (in acht Rollen von Luden­dorff über von Melle bis Ebert!) und Erik Schäff­ler gelingt, was leicht miss­lin­gen kann: Geschichte im Zeit­raf­fer atmo­sphä­risch berüh­rend mit Sinn für Komik im bluti­gen Ernst auf die Bühne zu bringen.

Am Ende wird eine Natio­nal­ver­samm­lung gewählt. Die SPD hat sich durch­ge­setzt. Ebert wird Reichs­prä­si­dent und die Haupt­ak­teure der Revo­lu­tion sind unter SPD-Kommando ermor­det, abge­setzt, verdrängt.

Immer­hin, die Revo­lu­tion hat das Kaiser­reich hinweg­ge­fegt. Die erste deut­sche Repu­blik ist gegrün­det. Verwun­dert fragt das Ensem­ble: Wieso  sind die Namen der Revo­lu­tio­näre nicht allge­mein bekannt?

Zitate aus „Novem­ber­mori­tat“
Musik: Markus Voigt, Text: Mignon Remé, Erik Schäff­ler, Markus Voigt

Weitere Auffüh­run­gen: 10.6., 28.9., 11., 13., 18. und 20.11.2018, 24.2.2019,
Museum für Hambur­gi­sche Geschichte, Hols­ten­wall 24

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