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Alles wird gleich

„Die Verschwundenen von Altona“, Thalia in der Gaußstraße
Die Verschwundenen von Altona

Viel Gesang im Kampf gegen Verschwinden im Angebots-Nirvana.

„Hier in Altona sind Abenteuer und Romantik verschwunden“, klagt der Vater und Tochter Franziska will nur noch weg. Eine Familie wehrt sich gegen die schleichende Vereinheitlichung ihres Stadtteils, gegen „ein schwammiges Verschwinden im Angebots-Nirvana“, wie Schorsch Kamerun, Sänger und Autor und Theaterregisseur es ausdrückt, wenn er über seine musiktheatralische Recherche „Die Verschwundenen von Altona“ spricht. Der Vater (Axel Olsson) hat eine radikale rückwärtsgewandte Vision für sein Altona: zurück zu Dänemark. So baut er eine Art dänischen Altar mit Flagge, Wimpeln und anderen Insignien der früheren Herren vor einem riesengroßen Panorama des alten Altonas mit der Erläuterung des Namens: „all to nah bey Hamburg“. Am Ende der 75-minütigen Inszenierung wird das „bey“ durch ein „in“ ersetzt. Altona verschwindet in Hamburg. Stadtteile, Viertel, Quartiere gleichen sich immer mehr. Alles wird einheitlich. Zu dieser Entwicklung hat Kamerun Menschen in Altona befragt und die Antworten zu Texten verarbeitet, die er, begleitet von vier Musikern, singt. Sandra Flubacher, Axel Olsson und Franziska Hartmann versuchen derweil, als Mutter, Vater und Tochter in einem recht unaufgeräumten Zimmer und an einem Bootssteg individuelle Akzente gegen den Einheitsbrei zu setzen. Sie bauen, räumen, wuseln und ziehen sich um, während Kamerun singt. Ach ja, und dann ist da noch Josef Ostendorf, der in Begleitung von Theresa Wallner über Hamburgs Musiktradition und die Elbphilharmonie sinniert.

Kamerun singt Stimmiges und Zutreffendes zu einem wichtigen Thema, aber seine „musiktheatralische Recherche“ kommt über einen ordentlichen Liederabend mit einigen schrillen Tönen nicht hinaus. Das Interview, das er fürs Programmheft gegeben hat, ist da spannender. Die guten Thalia-Schauspieler bleiben im Hintergrund, haben live bis auf Ostendorf überhaupt keinen Text. Aber am Ende einen großen Auftritt: im Motorboot dürfen sie, mittlerweile in recht ausgefallene schwarz-weiße Kleidung gewandet, aus dem Theater fahren.

Text: Christian Hanke
Foto: Torre Aqua c/o Scheune

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