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Das Beste kommt noch: Öko-Sex

Interview mit Annie Sprinkle
Annie Sprinkle

Perfor­mance-Künst­le­rin Annie Sprinkle hat beim dies­jäh­ri­gen Donau­fes­ti­val in Krems die Erde geheiratet

Interview: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Julian Cash

Gehört Prosti­tu­tion verbo­ten? Ja, sagt Alice Schwar­zer. Annie Sprinkle hat dazu eine andere Haltung. Als Frau, die sich in ihre Gebär­mut­ter schauen ließ, sorgte sie für Schlag­zei­len. Nun ist ihre Sicht auf Sex bei der Konfe­renz „Fanta­sies that matter. Images of Sexwork in Media and Art“ gefragt: als Künst­le­rin in Perfor­man­ces, als Ex-Prosti­tu­ierte und Porno­dar­stel­le­rin und als studierte Wissen­schaft­le­rin während des Inter­na­tio­na­len Sommer­fes­ti­vals auf Kampnagel.

Vor weni­gen Tagen sind Sie 60 gewor­den, was bedeu­tet Älter­wer­den für Sie? 

An manchen Tagen fühle ich mich glück­li­cher und erfah­re­ner, an ande­ren dem Tod näher. Manch­mal glaube ich, das Beste kommt noch: meine Arbeit zu Öko-Sexualität.

Was steckt dahinter?

Unse­ren Plane­ten zu lieben. Nicht als Mutter Erde, sondern als Lieb­ha­ber. So werden wir eine tiefere, befrie­di­gen­dere Bezie­hung zur Natur errei­chen. Die Erde zu lieben, heißt, all ihre sinn­li­chen und eroti­schen Freu­den zu genie­ßen, die sie zu bieten hat.

Zeigen Sie das auf der Konfe­renz in Hamburg?

In Hamburg werde ich ein magi­sches, eksta­ti­sches Sex-Ritual für sieben Huren anlei­ten: mit Kerzen, Vibra­to­ren oder phal­li­schem Gemüse – jede, wie sie mag. Es geht um anstei­gende Ener­gie bis zum Höhe­punkt. Es ist eine Art Mastur­ba­ti­ons­ri­tual, aber so betrachte ich es nicht, denn es geht um Ener­gie, die zwischen Publi­kum und Himmel und Erde zirkuliert.

Sex als öffent­li­che Ener­gie – sind viele Menschen gehemmt und soll­ten befreit werden?

Ich denke, jeder ist in seiner persön­li­chen Entwick­lung genau da rich­tig, wo er gerade steht. Neues aber können wir alle lernen. Ich versu­che, ein brei­te­res Bild dessen zu vermit­teln, was Sex sein kann. Es geht nicht nur um Geni­ta­lien, Reiz­wä­sche und Posi­tio­nen, sondern darum, sexu­elle Ener­gie zu nutzen und sie spie­le­risch weiter­zu­ge­ben. Alles zu eroti­sie­ren, auch die Natur.

Zu der Konfe­renz sind Sie als ehema­lige Prosti­tu­ierte und Porno­dar­stel­le­rin eingeladen … 

Seit 1975 bin ich aktiv in der Bewe­gung, die sich für die Rechte Prosti­tu­ier­ter einsetzt. Ich bin stolz auf 22 Jahre als Prosti­tu­ierte, mit den Dollars habe ich meine Träume verwirk­licht. In den 1970er und 80er Jahren haben wir Filme im Unter­grund gedreht, dafür konnte man damals ins Gefäng­nis kommen. Inzwi­schen gibt es sehr unter­schied­li­che Sexwor­ker. Es ist härter als je zuvor, heute eine Hure zu sein.

Zur Eröff­nung des Kongres­ses zeigen Sie Ihr Busen-Ballett …

Das Busen-Ballett ist mein Signa­tur-Stück, es dauert nur andert­halb Minu­ten und ist ziem­lich witzig. Ich hatte Brust­krebs, und meine Brüste sind inzwi­schen kraft­lo­ser. Damit bekommt die Perfor­mance heute eine andere Bedeutung.

Man sagt, Sie haben mit 3000 Männern geschlafen?

Ich hatte Sex mit 3000 Männern. Mit ihnen zu schla­fen, wäre zu intim gewe­sen; geschla­fen habe ich nur mit meinen Liebhabern.

Seit 2007 sind Sie mit Beth Stephens verhei­ra­tet, wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert?

Meine und ihre Inter­es­sen erge­ben zusam­men ein Drit­tes. Beth hat eben­falls von Sex inspi­rierte Kunst gemacht, sie lehrt als Univer­si­täts­pro­fes­so­rin. Ich lebe in größe­rer Sicher­heit: Als Sexwor­ker habe ich kein Geld zurück­ge­legt, nun lebe ich in ihrem Haus und habe eine Krankenversicherung.

Erin­nern Sie sich an Ihren Auftritt im Schmidt Thea­ter? Sie legten Ihre Brüste auf Corny Litt­mans Kopf – und auf die Köpfe dafür zahlen­der Besucher …

Ja! Corny war sehr wich­tig für meine Karriere. Er wollte, dass ich meine Geschichte erzähle, damit das Publi­kum Prosti­tu­ierte versteht. Und ich wollte nicht mehr die Fanta­sien ande­rer leben, sondern heraus­fin­den, was ich will, beim Sex und im Leben. Das Schmidt war das schönste Thea­ter, jeden Abend ausver­kauft, magisch und voller Ener­gie. Dort habe ich mehr Geld verdient als mit Prosti­tu­tion. Wenn ich Corny heute sähe, würde ich gern meine Brüste wieder auf seinen Kopf legen – aber 25 Jahre später sind sie nicht mehr so frisch. Sie hängen wie Pfann­ku­chen und würden vermut­lich seine Augen verdecken …

„Fanta­sies that matter. Images of Sexwork in Media and Art“, ganz­tä­gige Konfe­renz in engli­scher Spra­che, 8. bis 10. August, Kamp­na­gel, Jarrestr. 20, Eintritt frei, Anmel­dung erfor­der­lich unter tickets@kampnagel.de

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