Schülerkritik

Der Hamburger Kodex (Fudus Theater)

Fundus Theater

Wenn das ganze Publi­kum erstaunt auf die mühe­voll erar­bei­ten Vorschläge schaut, welche gerade vor ihren Augen zerris­sen werden, dann ist man mitten­drin in der thea­tra­len Versamm­lung „Der Hambur­ger Kodex“ von Julia Hart, einem Stück, in dem mit alltäg­li­chen Situa­tio­nen die großen Fragen des Zusam­men­le­bens aufge­wor­fen werden. Muss man immer die Wahr­heit sagen? Wann ist es in Ordnung zu petzen? Und was ist eigent­lich gut oder böse? Als Zuschauer befin­det man sich von Anfang an mitten drin, nicht nur dabei. Als „Abge­ord­nete“ an Tischen sitzend, welche in u-Form zur Bühne hin ausge­rich­tet sind, bekommt man das Gefühl, bei der Entste­hung des Kodex mitwir­ken zu können. Der gesamte Raum ist mit Gesche­hen gefüllt, es gibt eine Lein­wand mit Projek­tio­nen und Tanzeinlagen.

Das Erzähl­tempo ist zwar hoch, dennoch gelingt es aufgrund der Vertraut­heit der Situa­tio­nen, die Aufmerk­sam­keit des Publi­kums nicht zu verlie­ren. Damit das Folgen leich­ter fällt, gibt es wieder­keh­rende Sound-Elemente. Bevor ein neues Problem thema­ti­siert wird, ertönt immer dieselbe Melo­die. Um das Verständ­nis noch etwas zu erleich­tern, hat die Darstel­lung der Probleme eine bestimmte Struk­tur. Zuerst wird das Problem von einem der Schau­spie­ler vorge­stellt, danach kommt eine Exper­ten­kom­mis­sion zum Einsatz, welche verschie­dene Lösungs­an­sätze vorstellt. Diese Lösungs­an­sätze werden mit verschie­de­nen Metho­den in die Tat umge­setzt, zum Beispiel in einem „Life-Labor“, oder es wird bei einer fikti­ven Gerichts­ver­hand­lung darüber disku­tiert. Anschlie­ßend wird die gefun­dene Lösung auf einem an der Wand hängen­den Plakat nieder­ge­schrie­ben. So entsteht der „Hambur­ger Kodex“, welcher am Ende des Stückes wieder grund­sätz­lich in Frage gestellt wird.

Das Stück ist ein Mehr­ge­nera­tio­nen­stück. Nicht nur die Schau­spie­ler sind unter­schied­li­chen Alters, auch die Ziel­gruppe ist breit ange­legt, obwohl ich der Meinung bin, dass Kinder unter 12 Jahren nicht so viel von dem Abend mitneh­men können. Denn das Stück liefert keine vorge­fer­tig­ten Antwor­ten auf die komple­xen Fragen über Gut und Böse, Gerech­tig­keit, Chan­cen­gleich­heit und das Recht auf das eigene Leben. Es liefert viel­mehr Denk­an­stöße, die man auf verschie­de­nen Ebenen weiter­den­ken kann und würde klei­nere Kinder deshalb noch etwas überfordern.

Ich kann das Stück allen Empfeh­len, die Lust auf Thea­ter zum Mitden­ken haben. Die Fülle der Themen kann zwar im ersten Moment erschla­gend wirken, dennoch glaube ich, dass es zu Erkennt­nis­sen über sich und sein Handeln führen kann. Hier hat es jeder in seiner eige­nen Hand, sich dafür zu entschei­den, die Denk­an­stöße zu nutzen.

Julia Schus­ter
Ida Ehre Schule, 12. Klasse

 

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