Highlight / Kritik / Musiktheater

Der Meister und Margarita

Staatsoper Hamburg
Der Meister und Margarita

Auf dem Satans-Ball lernt Marga­rita (Cris­tina Damian) Fliegen

Text: Sören Ingwersen | Foto: Jörg Landsberg

Wenn ein Riesen­ka­ter im Tüll­rock, ein kopf­lo­ser Confé­ren­cier, der Teufel und Pontius Pila­tus gemein­sam auf der Opern­bühne stehen, gibt es Erklä­rungs­be­darf. „Der Meis­ter und Marga­rita“ heißt das Werk aus der Feder des Kölner Kompo­nis­ten York Höller nach dem gleich­na­mi­gen Roman des russi­schen Schrift­stel­lers Michail Bulga­kow. Und wie im Roman sind auch in der Oper wahr­haft teuf­li­sche Kräfte am Werk.

Hatte Bulga­kow sein 800 Seiten star­kes Werk als Satire auf die harten Bedin­gun­gen künst­le­ri­scher Betä­ti­gung zu Zeiten Stalins ange­legt, erhebt Regis­seur Jochen Bigan­zoli den Stoff – ganz im Sinne des Kompo­nis­ten – zur allge­mein­gül­ti­gen Para­bel. Von regime­treuen Hand­lan­gern ins Irren­haus abge­scho­ben, weil sein Roman über Pontius Pila­tus dem staat­lich verord­ne­ten Athe­is­mus zuwi­der­läuft, hat der „Meis­ter“ (auch bari­to­nal meis­ter­haft: Diet­rich Henschel) seinen wahren Namen abge­legt. Soweit die Ausgangs­si­tua­tion dieses auch musi­ka­lisch viel­schich­ti­gen Werks, das Bühnen­bild­ner Johan­nes Leiacker in einen von Leucht­stoff­röh­ren gesäum­ten weißen Raum verlegt.

Für Über­ra­schung sorgt das plötz­li­che Erschei­nen eines myste­riö­sen Frem­den: Ein Herr im weißen Anzug, der sich Voland und „schwar­zer Magier“ nennt, eigent­lich aber der Satan in perso­nam ist. Voland verwirrt den Lyri­ker Besd­omny mit seinen Teufe­leien so sehr, dass dieser ins Irren­haus einge­lie­fert wird, wo er sich mit dem eingangs erwähn­ten Meis­ter verbün­det. Auch das Publi­kum scheint verwirrt, als mit einem Mal das Saal­licht angeht und Schmidt-Thea­ter-Chef Corny Litt­mann als Confé­ren­cier den Zauber­künst­ler Voland ankündigt.

Für eine Vier­tel­stunde verwan­delt sich der Opern­saal in ein Varie­té­thea­ter. Einige Darstel­ler haben sich unters Publi­kum gemischt und zeigen über­rascht, was Voland ihnen alles in die Taschen zaubert. Als dann auch noch Geld­scheine auf die Besu­cher herab­schneien und der Confé­ren­cier skep­tisch konsta­tiert „In Hamburg regnet das Geld nicht von oben. In Hamburg sitzt die Kohle im Parkett!“, wird es sogar dem Teufel zu bunt. Kurzer­hand reißt sein Gehilfe, der Kater Behe­moth, dem aufmüp­fi­gen Ansa­ger dem Kopf ab. Nicht allen Opern­be­su­chern spricht diese Form des Humors aus dem Herzen: Einige verab­schie­den sich mit einem „Buh“ in die Pause, mehrere kommen danach nicht wieder – und verpas­sen den besten Teil der Aufführung.

Durf­ten wir bisher schon den hervor­ra­gen­den Bass-Bari­ton Derek Welton bestau­nen, mit dem er seinem Teufel ein gar nicht unsym­pa­thi­sches Charisma verleiht, einen teno­ral gefes­tig­ten Chris Lysack, der als Lyri­ker Besd­omny von Beel­ze­bub kräf­tig genas­führt wird, und den wunder­bar strah­len­den Coun­ter­te­nor von Andrew Watts in der Rolle des Katers, so wird nun die titel­ge­bende Marga­rita hand­lungs­füh­rend. Sie verbün­det sich mit dem Teufel, um ihren gelieb­ten Meis­ter aus der Irren­an­stalt zu befreien und findet in der Mezzo­so­pra­nis­tin Cris­tina Damian eine in jeder Hinsicht ausdrucks­starke Darstellerin.

In einer Weiter­ent­wick­lung der seri­el­len Kompo­si­ti­ons­tech­nik berei­chert Höller den Orches­ter­klang mit elek­trisch verstärk­ten Instru­men­ten und Tonband­ein­spie­lun­gen. Mittels elek­tro­ni­scher Gong­schläge und subtil einge­setz­tem Surren und Flir­ren formt sich ein räum­lich verän­der­ba­rer Gesamt­klang, der einen wirkungs­vol­len Kontra­punkt zu den Sänger­stim­men bildet und mit seiner viel­fäl­ti­gen Ausge­stal­tung immer wieder über­rascht. In einem illus­tren Satans-Ball mischt dann nicht nur der Kompo­nist, sondern auch Kostüm­bild­ne­rin Heike Neuge­bauer lust­voll die Stil­epo­chen. Hinrich­tun­gen im Hinter­grund verdeut­li­chen, dass Karne­val und Scha­ber­nack vor einer erns­ten Folie stattfinden.

„Der Meis­ter und Marga­rita“ ist ein Auftrags­werk der Hambur­gi­schen Staats­oper, wurde aber aus perso­nel­len Grün­den 1989 in Paris urauf­ge­führt. Dass das Werk nach einer weite­ren Auffüh­rung in Köln nun nach 22 Jahren erst­mals wieder auf der Bühne zu erle­ben ist, liegt vor allem an seiner musi­ka­li­schen Komple­xi­tät und den damit verbun­de­nen hohen Anfor­de­run­gen an alle Betei­lig­ten. Diesen Kraft­akt bewäl­ti­gen die Phil­har­mo­ni­ker unter der Leitung von Marcus Bosch bravou­rös. Glei­ches gilt für die Sänge­rin­nen und Sänger. Dass Jochen Bigan­zoli mit seiner ersten, klug ausdeu­ten­den Insze­nie­rung an der Staats­oper Hamburg einen vorbild­li­chen Einstand gege­ben hat, belegte auch der einhel­lig begeis­terte Schlussapplaus.

Sa. 21.9., Do. 26.9., Sa. 28.9. und Fr. 4.10, jeweils 19.30 Uhr, Staats­oper Hamburg
Karten unter Tel. 356868

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*