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Freundschaft als Notnagel

„Chica Chica“, Klassenzimmerstück – Thalia Theater
Chica Chica

Mühsame Annäherung: Imra (Nisan Arikan) und Tessa (Alena Oellerich)

Es kommt daher wie das Leben. Federleicht und schwer zugleich. Ohne viel Aufhebens beginnt das Stück „Chica Chica“ im Klassenraum. Die Schüler wissen, dass gleich Schauspieler ein Stück spielen werden. Und einige fallen doch darauf rein, als die Lehrerin die neuen „Mitschülerinnen“ vorstellt und ihnen Plätze zuweist. Ein paar knappe freundliche Begrüßungen. Irritationen, als die beiden anfangen, sich quer durch den Raum zu unterhalten. Dann platzt der Knoten und nachdem man weiß, dass die beiden ungleichen jungen Frauen Schauspielerinnen sind, beginnt man auch gleich wieder, genau das zu vergessen. Schnell ziehen Nisan Arikan und Alena Oellerich als Schüler unter Schülern einen in ihre Geschichte. Kaum anzunehmen, dass die beiden zusammenfinden könnten. Zu verschieden ihre Lebenssituationen, Gefühle, Erfahrungen, Hoffnungen.

Der niederländische Autor Maarten Bakker streift mit den beiden ein Spektrum von Themen zwischen Persönlichkeitsentwicklung, kultureller und religiöser Prägung, Sexualität und Gewalt, gesellschaftlicher Positionierung, Mobbing, Ausgrenzung – und vor allem Freundschaft. Das jedenfalls schält sich für die ca. 14-jährigen Zuschauer bei der Premiere in der Max-Brauer-Schule im Folgegespräch als zentrales Thema heraus. „Spannend, wie die beiden sich trotz ihrer Verschiedenartigkeit miteinander anfreunden.“ Beide haben allein viel zu verlieren, aber miteinander viel zu gewinnen.

Es braucht einige Zeit, bis die beiden zu offenen Worten finden. Sie reden miteinander, brüllen sich auch schon mal an. Aber einander zu verstehen, das ist nicht einfach. Regisseurin Susanna Schwarz lässt ihre beiden mitreißenden, jungen Schauspielerinnen ganz frei im Klassenzimmer agieren. Potenzielle Grenzen zwischen Zuschauerraum und Spielfläche werden von Anbeginn verwischt. Ein bisschen wie in Trance entfalten sie die Geschichte. Selbst als die beiden mit nur wenigen Markerstrichen auf Papierbahnen Fenster und Teppich eines eigenen Zimmers andeuten, funktioniert die Illusion perfekt. Sie sind Teil der Klasse. Die Geschichte scheint alle zu berühren. Und sie entlässt mit einer hoffnungsfrohen Perspektive. – Das Stück kann gebucht werden. (Telefon 040.32 81 41 39, thaliaundschule@thalia-theater.de)

Text: Oliver Törner
Foto: Krafft Angerer

One Comment

  1. ein tolles Erlebnis war das, so in ein Theaterstück einzutauchen, hautnah teilzuhaben an dem emotionalen Ereignis einer ganz besonderen menschlichen Annäherung mit vielen Hindernissen. Ich hoffe, dass viele Schulen, diese Chance für sich und ihre Schüler nutzen.
    Großes Kompliment an die Regisseurin, die beiden Schauspielerinnen und alle anderen Aktivisten! Andrea Lye

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