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Giseles Index oder Plakat Taten

Bauchladen Monopol, Ottenser Hauptstraße
Giseles Index

Caro­lin Christa, Sonia Fran­ken, Sophia Gutten­dör­fer und Regina Rossi hinter­fra­gen Frauenbilder

Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Bauchladen Monopol

„Fast so schön wie eine Frau. Tickt nur rich­tig.“ Frau­en­feind­lich? Sicher! Aber für einen werbe­wirk­sa­men Spruch werden bekannt­lich scham­frei Gren­zen über­schrit­ten. Mit diesem wirbt ein Uhren­her­stel­ler, der hier nicht genannt werden soll. Solche und ähnli­che Slogans (bezeich­nen­der­weise meinte das Wort früher Sammel- und Schlacht­rufe schot­ti­scher Clans!) stoßen nur noch weni­gen unan­ge­nehm auf. Zu ihnen gehört „Bauch­la­den Mono­pol“, eine freie Gruppe aus Hamburg und Köln.

Ihre Perfor­mance „Gise­les Index“ thema­ti­siert das profes­sio­nelle Vermark­ten von Frau­en­kör­pern im Medien-Zeit­al­ter. Wer beim Titel Bezüge zum roman­ti­schen Ballett „Giselle“ herstellt, liegt falsch. Es geht um Gisele Bünd­chen. Deren frei erfun­dene Lebens­ge­schichte wird genüss­lich ausge­schmückt und im betu­li­chen Märchen­ton vorge­le­sen, während vier Darstel­le­rin­nen umschich­tig dem Model ihren Körper leihen – ohne Photoshop-Nachbearbeitung.

Die Vorge­schichte: „Gisele Bünd­chen, 31, brasi­lia­ni­sches Super­mo­del, ist an der Wall Street ein heißer Tipp. Der ‚Gisele-Index‘, der die Börsen­ent­wick­lung aller Firmen darstellt, die Bünd­chen als Werbe­trä­ge­rin beschäf­ti­gen, schlägt den Dow Jones um Längen. Vor vier Jahren hatte der ameri­ka­ni­sche Finanz­ex­perte Fred Fuld den Gisele-Index erfun­den, seit­her stieg er um 41 Prozent; der Dow Jones fiel im glei­chen Zeit­raum um 4 Prozent. Unter den Firmen, für die Bünd­chen wirbt, sind …“* NEIN, hier gibt’s weder schlei­chende noch sons­tige Werbung jenseits der Theaterwelt!

Caro­lin Christa, Sonia Fran­ken, Sophia Gutten­dör­fer und Regina Rossi rollen ihren roten Teppich da aus, wo er hinge­hört: In den Fußgän­ger­zo­nen bekann­ter Einkaufs­mei­len. Als Bühnen­bild dient ihnen einer dieser Wech­sel­wer­be­ban­ner, auf denen garan­tiert eine Frau auftaucht: Auch Gisele wohnt in einem solchen papie­re­nen Schloss hinter Glas, und darin muss sie immer rauf und runter fahren. Wieso klebt keine Erde an ihr, wenn sie von unten wieder hoch­fährt? Fragen die Perfor­me­rin­nen. Ähnlich berech­tigt naiv schi­cken sie andere Fragen ins Publi­kum: Wieso glaubt ihr, dass Cremes jünger machen und Mode schö­ner? In der Werbung herr­schen Glau­bens­fra­gen, jenen der Reli­gio­nen nicht unähn­lich. Gott indes will nichts verkaufen …

In der Otten­ser Haupt­straße scha­ren sich zur besten Einkaufs­zeit viele Zuschauer um die uner­war­tete und witzige Perfor­mance „Gise­les Index“, sie tragen Tüten und Taschen. Auf einer steht „Her mit den heißen Schnallen.“

*Der Spie­gel 48/2011

Heute, 20. Juli 18:30 Uhr, Otten­ser Haupt­straße vor dem Mercado

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