Sie sind kein „odd couple“, eher ein ideales Partnerpaar, der 81-jährige Wilfried Minks und sein Star des Abends, Burkhart Klaußner. Der spielt den Willy Loman, den Handlungsreisenden, der seit 1949 auf zahlreichen internationalen Bühnen seine Lebenslüge der „Bedeutsamkeit des Egos“ aufgebaut hat. Und der demonstriert, wie sein Autor Arthur Miller sich selber bzw. seine These, in jeder Tragödie müsse es die Möglichkeit des Sieges geben, ad absurdum führt.
Minks ist – nach seiner numehr über sechs Jahrzehnte andauernden Karriere als Maler, Bühnenbildner, Theaterleiter und Regisseur – alt, erfahren und klug genug, um eine unserem Zeitgeist entsprechende Inszenierung zustandezubringen. Die lässt zwar nichts von Millers sozialkritischer Programmatik aus, fällt aber niemals dem „sentimentalen Pathos“ anheim, das der Autor nach der amerikanischen Uraufführung vor mehr als 60 Jahren sich selbstkritisch angelastet hat.
Bei der Realisierung dieser eleganten dramaturgischen Volte, die Minks wundervoll gelingt, ist ihm sein Hauptdarsteller Burghart Klaußner ein so getreulicher Weggefährte, dass er in der hohen Kunst der Menschendarstellung das übrige Ensemble, na ja, zumindest hinter sich lässt. Allein seine Modulationsfähigkeit, die ihn im Abstand von Minuten, ja zuweilen Sekunden vom Wutanfall zur Liebeserklärung stürmen lässt, bindet den Zuschauer fasziniert an seine Figur. Und zwar dergestalt, dass die eine oder andere Rückblende (eine Technik, aus der die Hälfte von Millers Stück besteht) vorüber ist, ehe man sie realisieren konnte. Wilfried Minks inszenatorische Technik, sie übergangslos aneinanderzureihen, entspricht gewiss Millers ursprünglicher Intention. Sie wäre aber ohne einen derart präsenten Schauspieler nicht möglich. Das erlaubt dem Regisseur, dessen Humor hinreichend bekannt ist, denn auch die eine oder andere kleine Albernheit, z.B. die, von den Söhnen Biff und Happy zur Entlastung der geplagten Mutter aufgeleinte Wäsche hoch zwischen den Bühnenportalen hin- und herfahren zu lassen.
Insgesamt ein Schauspielabend, der dem Dostojewskij- und Ibsen-Jünger Arthur Miller in hohem, ja elitärem Maße gerecht wird. Und ein weiterer Erfolg für dieses, aus Hamburgs Theaterlandschaft herausragende, Haus im Schatten der Davidwache.
Text: Hans-Peter Kurr
Foto: Matthias Horn