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Soul Kitchen

Ohnsorg Theater
Soul Kitchen

Ob das hilft? Sinos (Holger Dexne) Bandscheibenleiden wird auf der Streckbank behandelt

Text: Christina Hanke / Foto: Sinje Hasheider

Ein Kinokracher auf der Bühne und dann auch noch op platt – kann das gutgehen? Ja, wenn es das Ohnsorg-Theater macht. Die niederdeutsche Bühne hat in den letzten Jahren einige Experimente gewagt und immer gewonnen. So auch dieses Mal. „Soul Kitchen“, Fatih Akins Filmhit über eine herunter gekommene Kneipe in Wilhelmsburg, die sich aufgrund von zündender Live-Musik und gutem Essen zum beliebten Szenetreff wandelt, wird einfach ins eigene Haus verlegt: auf die Bühne des Ohnsorg Theaters, das – so die fiktiv-selbstironische Behauptung – inzwischen ins gegenüberliegende Schauspielhaus umgezogen ist. Das nun ehemalige Ohnsorg ist in der Fassung von Regisseur Ingo Putz und der äußerst gelungenen Übersetzung von Cornelia Ehlers die Kneipe, in der die Geschichte von Akin und Adam Bousdoukos spielt. Zwischen Tresen, rollenden Elementen und Gerüsten spielen die ausgezeichneten Darsteller in schummrig-schäbiger Kneipenatmosphäre die bekannte Geschichte vom Kneipenwirt Zinos, hier Sino, in Nöten, dessen Freundin berufsbedingt nach Shanghai  aufbricht, der dann einen Bandscheibenvorfall erleidet und Besuch von seinem leichtlebigen Bruder auf Freigang bekommt, der wegen Einbrüchen im Gefängnis sitzt und im „Soul Kitchen“ arbeiten möchte. Zu allem Überfluss versucht Sinos früherer Mitschüler Neumann, inzwischen gerissener Immobilienmakler, das Grundstück der Kneipe zu erwerben, um es einem anderen Zweck zuzuführen. Sino will nur noch weg zu seiner Freundin nach Shanghai und verpachtet die Kneipe schließlich an seinen Bruder. Doch ein Spitzenkoch und eine großartige Band lassen plötzlich die Gäste ins Soul Kitchen strömen. Als Sängerin dieser Band begeistert im Ohnsorg Theater Love Newkirk mit sehr starker Stimme. Brausender Applaus bei jedem Auftritt. Den sich am Ende auch das Schauspielensemble verdient: An der Spitze Holger Dexne als auf den Punkt genau von einem Malheur ins nächste stürzender Sino, bestens unterstützt von Tim Ehlert, der dessen Bruder Linus überzeugend frech und sympathisch erscheinen lässt, von Kristina Bremer als schlagfertig treuer Seele Luzie hinterm Tresen, Oskar Ketelhut in der Rolle des peniblen Meisterkochs Hein, Horst Arenthold als schwergewichtig-gemütlichem Stammgast Sokrates, Tobias Kilian als wunderschön überzogenem Immobilienhai in Designer-Klamotten sowie jeweils in zwei Rollen Kathrin Ost und Jenny Klippel, die auch beim Tanz an der Stange begeistern. Lebenslust fehlt halt nicht im Soul Kitchen. Da wird ­– wenn auch verdeckt ­– mal masturbiert und mit körperlichem Einsatz geknutscht, und zwei Polizisten strippen. Hamburg, wie es singt und lacht. Ingo Putz und Cornelia Ehlers haben eine rasant-unterhaltsame Inszenierung hingelegt und bewiesen: Film kann auch auf Bühne.

Aufführungen bis 31.3. und 9. bis 17.7., Ohnsorg Theater

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