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Spätflirter zwischen Komik und Eingemachtem

„Blütenträume“, Ernst Deutsch Theater
Blütenträume

Bei Gila (Ulrike Barthruff) und Heinz (Günther Rainer) hat’s geschnackelt. Britta (Karin Nennemann), Friedrich (Wolf Frass) Ulf (Wolf Aniol) und Julia (Maike Bollow) (v.l.) schauen erfreut zu.

Sie wollen es noch einmal wissen, die „Best Ager“ um die 60, Frauen und Männer in der „nachberuflichen Lebensphase“, immer noch fit und gesund und begierig auf neues Beziehungsglück. Zum Beispiel mit Hilfe des Volkhochschulkursus Flirten 55+.

Mit den jungen Alten beschäftigt sich Lutz Hübner, Autor so erfolgreicher Stücke wie „Gretchen 89ff“, „Creeps“ – oder gerade jetzt im Winterhuder Fährhaus „Frau Müller muss weg“ – in seiner Komödie „Blütenträume“ aus dem Jahre 2007. Mit sicherem Gespür für Komik, Charaktere und modische Trends stellt uns Hübner sieben Flirtwillige vor, die ein junger Ex-Schauspieler mit Übungen wie gegenseitigem Augenkontakt, Etwas-von-sich-Erzählen und Speed Dating aus der Reserve locken und fit für den täglichen Kampf um Partnerschaft machen will. Doch spätestens, als der etwas reservierte Ex-Tischler Ulf, der so schön von besonderen Möbelstücken erzählen kann, seiner Angebeteten Frieda beim Speed Dating einfach nur ein „Ich liebe dich“ entgegenhaucht, kollabiert der Flirtkurs. Kursleiter Jan rastet aus, hält diese Romantik für völlig daneben und belehrt seine Teilnehmer: „Wir trainieren Verkaufstechniken!“ Das ist den Spätflirtern, die Jan wie dumme Teenager behandelt hat, denn doch zu viel. Ausgerechnet Friedrich, der den flotten Lebenslust-Macho markiert, und die spröde Ex-Bibliothekarin Britta, die die Dinge schroff, aber deutlich auf den Punkt zu bringen versteht, ergreifen gemeinsam die Initiative und weisen Jan einfach die Tür.

Das Flirten hat sich offenbar erledigt, doch im zweiten Teil wird es ernst, als sich die Kursteilnehmer bei der wohlhabenden Witwe Frieda in deren großzügiger Wohnung wiedertreffen. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Es wird Tacheles geredet. Als Frieda (Gila von Weitershausen) in Einzelheiten das Leben mit ihrem demenzkranken Mann schildert, wird es mucksmäuschenstill im Saal. Da zerbrechen auch die Traumvorstellungen von liebevoller Pflege der erst knapp über 40 Jahre alten Maklerin Julia, die bei 55+ mitmachte, weil der Kurs 40+ nicht zustande kam. Julia kann ihren Traummann einfach nicht finden und nervt die Gruppe mit ihrem Selbstmitleid. Sie findet deshalb auch hier keinen Partner, während sich bei den anderen doch in der gemütlichen Atmosphäre auf Friedas weichen Sitzkissen so manches anbahnt, was Animateur Jan so gar nicht gelang.

Hartmut Uhlemanns Inszenierung gelingt dank eines guten Ensembles im gelungenen Bühnenbild von Eva Humburg, einem aufgeschnittenen Seminarraum als Schräge mit blauen Einheitsstühlen. Neben Gila von Weitershausen als verschlossene Witwe aus gutem Hause glänzen Wolf Aniol (Ulf), Günther Rainer als schlichter Ex-Lackierer Heinz, Ulrike Barthruff in der Rolle der ewig lachenden Gila, Maike Bollow (Julia), Wolf Frass (Friedrich), Georg Münzel (Jan) und ganz stark Karin Nennemann als bärbeißige Britta. Vor allem aber hat Lutz Hübner mal wieder eine Gruppe Menschen aus unserer Mitte verteufelt gut beobachtet und deren unfreiwillige Komik zu einer höchst unterhaltsamen Komödie verarbeitet.

Text: Christian Hanke
Foto: Oliver Fantitsch

2 Comments

  1. Georg Münzel says:

    Die Rolle, die ich spiele heißt „Jan“, nicht „Jens“! Der Name wird nun wirklich relativ häufig im Stück genannt und steht auch im Programmheft.

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