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Tristan und Isolde

Opernloft
Tristan und Isolde

Eine Rutsch­par­tie der gebro­che­nen Herzen: Tris­tan ( Lemuel Cuento) und Isole (Anne Funck-Hansen)

Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Silke Heyer

Fast ein Jahr der Vorbe­rei­tung hat es an dieser schwie­ri­gen Insze­nie­rungs­ar­beit bedurft, die der ebenso ehrgei­zi­gen wie einfalls­rei­chen Grün­de­rin und Regis­seu­rin des hambur­gi­schen Opern­lofts, Inken Rahardt, und ihrer Drama­tur­gin Susann Obera­cker gelang: Richard Wagners „Tris­tan und Isolde“ in jenen Rahmen einzu­pas­sen, der stets das Ziel dieses Hauses ist – klas­si­sche Oper in einer 90-Minu­ten-Fassung (auch) für junges Publi­kum versteh- und genieß­bar zu machen.

Vorweg sei gesagt: Bei „Tris­tan“ ist dies auf bewun­derns­werte Weise gelun­gen, obwohl das Kunst­pro­dukt mit dem Origi­nal nicht mehr allzu­viel zu tun hat, von musi­ka­lisch Wieder­erkenn­ba­rem wie zum Beispiel „Isol­des Liebes­tod“ abge­se­hen. Da der ursprüng­li­che Hand­lungs­fa­den ohne die übri­gen Partien wie Bran­gäne, Marke oder Kurwenal nicht wirk­lich deut­lich wird in dieser für heuti­gen Zeit­geist adap­tier­ten Liebes­ge­schichte zweier junger Menschen unse­rer Tage, bediente sich Rahardt eines verblüf­fend gelun­ge­nen Kunst­griffs: Wagners „Wesen­donck-Lieder“ aus der Entste­hungs­zeit des „Tris­tan“ geschickt als Zwischen­spiele einzu­bauen, die denn auch von dem Solis­ten­paar Anne Funck-Hansen und Lemuel Cuento beson­ders innig gesun­gen wurden. Eine hoch­zu­lo­bende Leis­tung, zumal die Regie den beiden – die als einzige Partien aus der Origi­nal-Beset­zung übrig­ge­blie­ben sind –auf einer 45-Grad- Schräge und zwei Gestän­ge­tür­men nach­ge­rade Artis­ti­sches zumu­tet. Aber, sie schaf­fen es gesang­lich und sie schaf­fen es szenisch. Und Rahardt sowie ihr Tech­ni­ker Nicho­las Laudann haben auch nach den zwei heftig zu disku­tie­ren­den Erst­ver­su­chen in „Manon“ und „Thais“ die Kunst des Proji­zie­rens gelernt: Was hier an opti­scher Atmo­sphäre gezeigt wird, ist eben­falls jetzt professionell.

Der Mythos vom tödli­chen Eros, von destruk­ti­ver Leiden­schaft, die jeden vernich­tet, der sich ihr hingibt, ist zeit­los gültig. Unter diesem Aspekt hat Rahardt abso­lut Recht, das Werk in unsere Tage zu trans­po­nie­ren. Richard Wagners begab­ter Enkel, der so früh verstor­bene Regis­seur Wieland, drückte das bei seiner ersten eige­nen Insze­nie­rung des „Tris­tan“ 1968 folgen­der­ma­ßen aus: „Ob es sich um die längst vergan­gene Moral und die Ordnun­gen der Welt des Ritter­tums oder um die heutige angeb­lich so eman­zi­pierte Gesell­schaft handelt: Jede Leiden­schaft stellt sich gegen die errun­gene Ordnung und bedeu­tet eine tödli­che Gefahr für die Gesellschaft!“.

Dem ist nach dem Genuss dieses Abends im aben­teu­er­freu­di­gen Opern­loft nichts hinzu­zu­fü­gen. Nur noch Dank an die drei inspi­rier­ten Musi­ker Markus Bruker, Chris­toph Gediga und Vasile Boar, die der Insze­nie­rung anstelle eines gewal­ti­gen Wagner-Orches­ters einfühl­sam viel Farbe verleihen.

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